Vorschlag der Opposition: Steuerfreiheit für Überstunden und Mehrarbeit
Der Arbeitsmarkt enwickelt sich langsam dysfunktional. Einerseits können selbst Arbeitsplätze mit nur einfachen Anforderungsprofilen nicht besetzt werden. Andererseits ist die Arbeitslosigkeit auf 2,6 Millionen Personen angestiegen. Die von Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagene 12-prozentige Anhebung des Bürgergeldes, wird diese Sitution noch einmal verschärfen.
Die CDU ist jetzt durch ihren stellvertretenen Bundesvorsitzenden Carsten Linnemann vorgeprescht und hat ein Fünf-Punkte-Programm zur Entlastung von Unternehmen und Bürgern vorgelegt. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Parteivize vorschlägt, die finanzielle Abgeltung geleisteter Überstunden steuerfrei zu stellen.
In Deutschland wird aktuell zu wenig gearbeitet. Noch zu Zeiten des Wirtschaftswunders lagen wir immer an der Spitze jener Nationen mit der höchsten Wochenarbeitszeit. Dies hat sich gründlich geändert. Nach Feststellung des Statistischen Bundesamtes bewirken speziell die Urlaubs- und Feiertage sowie ein hoher Anteil von Erwerbstätigen in Teilzeit, dass die durchschnittlich Wochenarbeitszeit zwischenzeitlich auf 34 Stunden abgesunken ist. Nur in Dänemark und den Niederlanden wird geringfügig weniger gearbeitet. Alle anderen EU-Staaten weisen deutlich höhere Arbeitszeiten auf. An der Spitze steht derzeit Griechenland, wo von Arbeitnehmern durchschnittlich 41,3 Wochenstunden geleistet werden.
Angesichts der hohen Inflation, des Energiepreisschocks und des Fachkräftemangels ist die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in den Keller gerauscht. Wenn also Wohlstandsverluste und Deindustrialisierung verhindert werden sollen, dann muss die Politik schnell und zupackend handeln. Die CDU ist nunmehr mit eigenen Vorschlägen an die Öffentlichkeit getreten.
Bemerkenswert ist dabei der mit „Respekt für Arbeit und Fleiß“ überschriebene Vorschlag. Die CDU fordert, die über die Regelarbeitszeit hinaus geleisteten Stunden, die nicht durch Freizeitausgleich ausgeglichen werden, finanziell zu entgelten und gleichzeitig steuerfrei zu stellen. In diesem Fall fielen lediglich Sozialabgaben an. Von ihrem Vorschlag verspricht sich die CDU eine Steigerung des Arbeitsstundenaufkommens und eine Zurückdrängung der Schwarzarbeit.
Allenthalben wird die Forderung nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance erhoben. Zusammen mit dem Arbeitskräftemangel führt das dazu, dass viele Arbeitnehmer, gerade jüngere, immer weniger arbeiten wollen. Für die deutsche Wirtschaft ist das eine riskante Entwicklung, weil sich viele große Unternehmen die Frage stellen, ob nicht im benachbarten Ausland mit günstigeren Kostenstrukturen und niedrigeren Gehältern ertragreicher produziert werden kann. Speziell die Autoindustrie leidet, zumal sie einen grundlegenden und teuren Transformationsprozess zu stemmen hat. Wenn es schlecht läuft, dann stehen in diesem Bereich Millionen von Arbeitsplätzen zur Disposition.
Für Carsten Linnemann (CDU) ist diese Entwicklung nicht naturgegeben. Von der Ampel-Regierung erwartet er die nachhaltige Entlastung von Unternehmen und Bürgern, damit in Deutschland wieder wettbewerbsfähig produziert werden kann. Außerdem müsse sich Leistung wieder mehr lohnen. Für Arbeitnehmer, so der CDU-Politiker, lohne es sich gegenwärtig nicht, Zusatzarbeit im Hauptjob zu leisten, weil der Staat diese Anstrengungen aufgrund des progressiven Tarifs überproportional besteuere. Es sei aber häufig so, dass Arbeitnehmer, die ein Haus oder ähnliches zu finanzieren hätten, gerne etwas länger arbeiten würden, wenn vom Lohn mehr übrigbliebe.
Viele, erläuterte Linnemann, hätten deshalb noch einen Minijob oder verdienten sich schwarz etwas dazu. Dies müsse doch so nicht sein. Zusatzentgelte könnten auch im Hauptjob erzielt werden, wenn der Staat diese Zusatzleistungen von der Besteuerung befreie. Dies sei auch ein verlässlicher Schritt zum Abbau des Fachkräftemangels.
In Deutschland gilt bislang das Steuer-Prinzip, nach dem derjenige, der mehr arbeitet und dadurch mehr verdient, auch mehr Steuern bezahlen muss. Das resultiert aus dem ansteigenden Steuertarif. Für Spitzenverdiener endet der Anstieg bei 42 Prozent Lohnsteuer. Nach Auffassung der CDU ist diese Besteuerung leistungsfeindlich, weil Arbeit damit weit höher besteuert wird als Vermögenserträge.
Der Ansatz der CDU, Mehrarbeit von der Steuer zu befreien, hätte auch für den Vollzug erhebliche Bedeutung. Zwar ist die CDU derzeit in der Opposition, aber es ist gut, dass Politiker sich Gedanken darüber machen, wie und mit welchen Mittel die stark belastete Mittelsicht sachgerecht entlastet werden kann.
Für den BSBD NRW hat der Vorschlag den Charme, dass die Kolleginnen und Kollegen, die fast alle über einen hohen Überstundenstand verfügen, für den finanziellen Ausgleich ihrer Leistungen einen höheren Gegenwert erhielten, als dies bisher der Fall ist. Voraussetzung für den BSBD NRW ist jedoch, dass den Kolleginnen und Kollegen ein Wahlrecht zwischen finanzieller Abgeltung und Freizeitausgleich eingeräumt wird. Dieses Wahlrecht ist allein deshalb erforderlich, weil die Arbeit im Strafvollzug physisch und psychisch anstrengend ist. Dem einzelnen Bediensteten muss es daher überlassen bleiben, ob er Freizeitausgleich zur Regeneration benötigt oder ob sein Interesse an einem Einkommensplus überwiegt.
Friedhelm Sanker