Unter die Lupe genommen: Homeoffice
Was in der freien Wirtschaft längst nicht mehr wegzudenken ist, etabliert sich zunehmend auch in Einrichtungen nordrhein-westfälischer Vollzugseinrichtungen. Was allgemein als Homeoffice bezeichnet wird, nennt sich eigentlich alternierende Telearbeit und meint laut Rahmendienstvereinbarung des Ministeriums der Justiz vom 06.04.2022 das Folgende:
… eine auf Informations- und Kommunikationstechnologie gestützte Tätigkeit…, die regelmäßig ganze Tage oder auch Teile eines Tages zu Hause (häusliche Arbeitsstätte) und im Übrigen in der Dienststelle erbracht wird, wobei die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der häuslichen Arbeitszeit mit der Dienststelle durch elektronische Kommunikationsmittel verbunden sind.
Dabei sollen die Bediensteten mindestens die Hälfte der regulären Arbeitszeit in der behördlichen Arbeitsstätte verbringen. Mit der Rahmendienstvereinbarung bezieht das nordrhein-westfälische Ministerium der Justiz eine klare Haltung und formuliert folgende Zielsetzungen:
- Förderung einer tragfähigen Balance zwischen dienstlichen Belangen und familiären und sonstigen persönlichen Lebensumständen im Rahmen des dienstlich Möglichen,
- Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und der Motivation der Bediensteten,
- Erleichterung einer frühzeitigen Wiederaufnahme der Berufstätigkeit nach Elternzeit oder Beurlaubung,
- Förderung der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess nach Ausfallzeiten,
- Fürsorge und Förderungspflicht als Dienstherr und Arbeitgeber gegenüber schwerbehinderten Bediensteten,
- verantwortungsgeprägte, ergebnisorientierte Mitarbeiterführung,
- Werbung mit Instrumenten einer modernen und flexiblen Arbeitsorganisation im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern,
- Erleichterung der Aufrechterhaltung eines regulären Dienstbetriebes in Ausnahmesituationen,
- Reduzierung von Berufsverkehr und damit Beitrag zur ressourcenschonenden und klimaneutralen Landesverwaltung.
Alternierende Telearbeit ist ein modernes Arbeitsmodell, dass die Möglichkeit bietet, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten und die Attraktivität des öffentlichen Dienstes steigert. Sorgfältig abzuwägen bleibt, wie oft, wann und wem unter welchen Bedingungen Telearbeit gewährt wird.
Wenn’s der Dienstposten zulässt, soll’s ermöglicht werden!
In Vollzugseinrichtungen wird es immer Dienstposten geben, die ausschließlich in der Dienststätte verrichtet werden können. Insbesondere betrifft dies die größte Dienstgruppe im Strafvollzug: die Kolleginnen und Kollegen des allgemeinen Vollzugsdienstes, die für die Sicherheit und Ordnung innerhalb von Vollzugseinrichtungen verantwortlich sind und u.a. auch Versorgungs-, Betreuungs- und Behandlungsaufgaben ausüben. Ihre permanente physische Präsenz ist schon deshalb unerlässlich, damit die Sicherheit von Inhaftierten und Bediensteten gewährleistet bleibt. Aber neben Verwaltungskräften und Angehörigen der Fachdienste sollte es auch Kolleginnen und Kollegen aus dem AVD geben, die von der Einführung der alternierenden Telearbeit profitieren. Dienstposten, die beispielsweise mit der Dienstplanung oder der Besuchskoordination befasst sind, können auch in häuslicher Umgebung ausgefüllt werden.
Kriterien und Voraussetzungen
Die Rahmendienstvereinbarung legt Kriterien fest, an die die Zulassung zur alternierenden Telearbeit gebunden ist, um die Integrität der Arbeit in den Anstalten zu wahren:
a) Alternierende Telearbeit kann bewilligt werden, wenn ein telearbeitsfähiger Arbeitsplatz vorliegt und dienstliche Belange nicht entgegenstehen.
b) Ein Arbeitsplatz ist in der Regel telearbeitsfähig, wenn er Tätigkeiten aufweist,
- die weitgehend eigenständig durchführbar sind,
- die unter Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie durchgeführt werden können,
- die ohne wesentliche Beeinträchtigung des Dienstablaufes bei eingeschränktem Kontakt zur Dienststelle erledigt werden können,
- bei denen kein häufiger kurzfristiger und persönlicher Abstimmungsbedarf vor Ort in der Dienststelle besteht,
- die bei Wahrnehmung der Telearbeit nicht zu einer stärkeren Belastung anderer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen und
- bei denen keine besonderen dienstlichen Belange (z.B. Geheimhaltung) entgegenstehen.
c) Die Funktionsfähigkeit der betroffenen Organisationseinheiten muss bei der Einrichtung eines Telearbeitsplatzes gewahrt bleiben.
d) Die weitgehend eigenständige Ausführung der Tätigkeit erfordert von den Bediensteten besonders hohe Anforderungen in Bezug auf die fachlichen Kenntnisse, Selbstdisziplin, Eigenmotivation, Flexibilität und die Fähigkeit zur Selbstorganisation.
e) Über die Telearbeitsfähigkeit eines Arbeitsplatzes entscheidet die Leitung der Justizvollzugseinrichtung unter Einbeziehung der bzw. des unmittelbaren Vorgesetzten, der örtlichen Personal- und Schwerbehindertenvertretung sowie der Gleichstellungsbeauftragten.
f) Soweit mehr Bedienstete Telearbeitsplätze beantragen als eingerichtet werden können, erfolgt die Bewilligung unbeschadet vorrangiger dienstlicher Interessen nach Priorisierung. Hierzu erfolgt die Wertung der Einzelfälle danach, ob eine besondere familiäre Situation, eine Schwerbehinderung, eine Betroffenheit von organisatorischen Verhältnissen in der Behörde oder sonstige vergleichbare Gründe vorliegen.
g) Eine Neubewertung der nach den vorgenannten Kriterien bewilligten Telearbeitsplätze soll regelmäßig zu einem in der jeweiligen Dienststelle zwischen der Leitung der Justizvollzugseinrichtung und der örtlichen Personal- und Schwerbehindertenvertretung sowie der Gleichstellungsbeauftragten festgelegten Stichtag, spätestens alle zwei Jahre, erfolgen.
Herausforderungen
Kommunikation und Teamarbeit
Damit die physische Trennung die Zusammenarbeit nicht hemmt, ist es unabdingbar, digitale Kommunikationsmittel zu nutzen. Durch deren Einsatz wird Kontakt gehalten und der Informationsfluss gewährleistet.
Selbstorganisation und Disziplin
Die Teilnahme an der alternierenden Telearbeit erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Selbstmanagement und Organisationsvermögen.
Einhaltung von Dienstvereinbarungen
Die strikte Einhaltung der in den Einrichtungen getroffenen Dienstvereinbarungen ist unerlässlich, um einen reibungslosen Ablauf der Arbeit nicht zu gefährden und möglichen Bevorzugungen oder Benachteiligungen aller Bediensteten entgegenzuwirken. Erwartungen und Verantwortlichkeiten müssen klar definiert sein. Die Einhaltung getroffener Regelungen ist nicht nur eine Frage der Professionalität, sondern auch der Verantwortung gegenüber den Kolleginnen und Kollegen.
Technische Ausstattung
Die notwendigen technischen Ressourcen müssen vorhanden sein und genutzt werden.
Chancen
Steigerung der Attraktivität des Dienstes
Die Möglichkeit zur Teilhabe an alternierender Telearbeit kann den Dienst für potenzielle neue Bedienstete attraktiver machen und qualifizierte Bewerber anziehen. Insbesondere jüngere Generationen legen großen Wert auf Flexibilität und eine ausgewogene Work-Life-Balance.
Effizienzsteigerung
Bedienstete, denen die Möglichkeit geboten wird, tageweise zu Hause zu arbeiten, sind häufig produktiver, da sie weniger Zeit mit Pendeln verbringen und in einer angenehmen Umgebung arbeiten können.
Kosteneinsparungen und Beitrag zum Klimaschutz
Während der Dienstherr Kosten für Büroflächen und Energie einspart und Büro-Teilungen möglich werden, sparen die Bediensteten Treibstoffkosten. Weniger Fahrten zur Dienststätte bedeuten zudem eine Senkung der Emissionen im Straßenverkehr.
Motivation und Arbeitszufriedenheit
Die Zulassung zu alternierender Telearbeit kann die Mitarbeiterzufriedenheit deutlich erhöhen, was zu einer geringeren Fluktuation und mehr Motivation führt.
Wertschätzung durch Vertrauen
Durch die Gewährung von alternierender Telearbeit wird signalisiert, dass den Bediensteten zugetraut wird, ihren Dienst eigenverantwortlich zu erledigen ohne dass eine ständige Dienstaufsicht als erforderlich erachtet wird.
Fazit
Die Einführung von alternierender Telearbeit in den Vollzugseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen bewährt sich trotz bestehender Herausforderungen. Auch wenn große Teile der Belegschaft aufgrund ihrer Aufgaben nicht von dem modernen Arbeitsplatzmodell profitieren können und einige Anstalten noch immer zögerlich scheinen, ist die Etablierung der alternierenden Telearbeit ein wichtiger und zeitgemäßer Schritt zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes und zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit. Da in einigen Anstalten des Landes aktuell noch nicht ausreichend Hardware zur Verfügung steht, sind einige Bedienstete noch gezwungen, die technische Ausstattung zu teilen.
Letztlich zeigt die Entscheidung, dass nunmehr auch Vollzugseinrichtungen alternierende Telearbeit gewähren sollen, dass ausgehend vom Ministerium der Justiz die unterschiedlichen Lebenssituationen, Kompetenzen und Arbeitsstile der Bediensteten Berücksichtigung finden sollen. Um die Integrität und Sicherheit der Vollzugseinrichtungen zu gewährleisten, ist die strikte Einhaltung und einheitliche Umsetzung getroffener Dienstvereinbarungen ebenso unerlässlich wie die Selbstdisziplin derer, die von der Teilhabe an diesem modernen Arbeitsplatzmodell profitieren.
Die örtlichen Personalräte sind aufgefordert, entschlossen zu handeln, wenn Behördenleitungen sich weigern, die alternierende Telearbeit umzusetzen oder die Kriterien der Rahmendienstvereinbarung des Ministeriums der Justiz keine Berücksichtigung erfahren. Die Etablierung einer zeitgemäßen Arbeitskultur, die die Bedürfnisse und Rechte von Bediensteten respektiert und gleichzeitig die Effizienz und Attraktivität des Dienstes stärkt, ist eine der grundlegenden Verpflichtungen aktiver Personalratsarbeit.
Autor: BSBD NRW
Bild: KI-generiert über Microsoft Copilot