Sozialdienst: Attraktive Arbeits- und Besoldungsbedingungen überfällig
Meist marschiert der Sozialdienst hinsichtlich der Besoldung mit dem gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienst im Gleichschritt. Leider ist hier in den zurückliegenden Jahren der Sozialdienst etwas aus dem Tritt und bei der Übertragung von Führungsverantwortung ins Hintertreffen geraten. Insoweit hat die Justiz vorrangig auf die Generalisten der Verwaltung zurückgegriffen.
Damit diese Entwicklung nicht zu dauerhaften Benachteiligungen führt und die originären Leistungen der Laufbahnangehörigen in Zukunft angemessen wertgeschätzt und finanziell honoriert werden, hat sich der BSBD zum Ziel gesetzt, die spezifischen Interessen dieser Laufbahn verstärkt in den Blick zu nehmen.
Unter der Leitung von Stephan Unland (JVA Köln) hat sich zwischenzeitlich ein Arbeitskreis konstituiert, der sich eine Bestandsaufnahme der konkreten Arbeitsbedingungen sowie der Besoldungs- und Laufbahnstrukturen im Vergleich mit den Verhältnissen in anderen Bundesländern zum Ziel gesetzt hat. Damit soll eine aussagekräftige Daten- und Faktenbasis geschaffen werden, um die spezifischen Interessen der Laufbahn sachgerecht und faktenbasiert vertreten zu können.
Stephan Unland kann auf einen reichen beruflichen Erfahrungsschatz zurückgreifen, den er sich durch die dienstliche Verwendung in unterschiedlichen Bereichen des Vollzuges erworben hat. Bei der Erörterung des Stellenwertes des Sozialdienstes innerhalb des Vollzuges konnte er berichten, dass seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 zwar deutliche Unterschiede bei Besoldung und Beförderungen im Vergleich mit anderen Bundesländern festzustellen seien, dass NRW bei diesem Vergleich aber gar nicht so schlecht abschneide. Was man allerdings feststellen könne, sei eine negative Entwicklung bei der Übertragung von Führungsverantwortung.
In den zurückliegenden Jahren sind Vakanzen der Leitungsebene der Vollzugseinrichtungen vornehmlich mit Kräften des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes besetzt worden. Ein Rückgriff auf besondere Fachdienste erfolgte nicht, vermutlich war hierfür maßgebend, dass eine Reduzierung des Betreuungsverhältnisses befürchtet wurde. Dies kann jedoch nach Einschätzung des Arbeitskreises nicht dazu führen, dass dem Sozialdienst dauerhaft eine Weiterentwicklung der Laufbahn vorenthalten wird. Hier besteht für die Zukunft erheblicher Diskussions- und Erörterungsbedarf, um eine aussichtsreiche Strategie für die Verbesserung der aktuellen Verhältnisse zu erarbeiten.
Breiten Raum in der Diskussion des Arbeitskreises nahm die Weiterentwicklung der Arbeitsschwerpunkte ein. Sucht-, Schuldner- und Familienberatung, soziale Gruppenarbeit sowie methodische Einzelfallhilfe werden nach den Erfahrungen der Arbeitskreismitglieder in den Vollzugseinrichtungen sehr unterschiedlich praktiziert. Eine Vielzahl verwaltungstechnischer Aufgaben und die in allen Anstalten unterschiedlich geregelte Übertragung fachfremder Aufgaben bewirken eine Personalbindung, die nicht mehr für die Arbeit mit den Gefangenen zur Verfügung steht. In vielen Fällen seien diese Aufgaben zudem auf ihre Notwendigkeit zu hinterfragen. Insgesamt müsse den originären Aufgaben der Sozialarbeit Priorität beigemessen werden.
So habe das neue Strafvollzugsgesetz viele Dokumentationspflichten eingeführt, ohne dass ein substanzieller Nutzen erkennbar sei. Es sei daher zu begrüßen, dass sich die neue Landesregierung den Abbau bürokratischer Dokumentationspflichten zum Ziel gesetzt habe. So sei die gesetzliche Regelung, für alle Strafgefangene - also auch für solche, die lediglich Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen - einen Vollzugsplan und Schlussberichte erstellen zu müssen, kontraproduktiv und mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden. Eine aufwändige und sinnvoll dokumentierte Vollzugsplanung bei Ersatzfreiheitsstrafen und bei Inhaftierten mit einer Vollzugsdauer von unter 6 Monaten ist fragwürdig. Der BSBD hat bereits bei der Anhörung zum Gesetzentwurf darauf verwiesen, dass die hierfür benötigte Arbeitskraft besser in die Betreuung und Behandlung der Gefangenen investiert werden sollte.
In den letzten Jahren habe die Zahl psychisch auffälliger Inhaftierter in bedeutsamer Weise zugenommen, stellte der Arbeitskreis fest. Diese Entwicklung führe zu erheblichen Belastungen und einer Beanspruchung von Ressourcen, die für andere Aufgaben nicht mehr verfügbar seien. Ursächlich für die psychischen Auffälligkeiten, so die Erfahrungen der Teilnehmer, sei oftmals der übermäßige Konsum von Drogen aller Art sowie eine größere Verwahrlosung in den Ursprungsfamilien.
Der Sozialdienst sollte auf den Umgang mit psychisch auffälligen Menschen besser vorbereitet und geschult werden. Der Justizvollzug, so die einhellige Auffassung im Arbeitskreis, sollte regelmäßige Fortbildungen, aber auch Hospitationsmöglichkeiten in Psychiatrien vorhalten. Ein zusätzliches Problem seien Konflikte, die ihre Ursachen in kultureller Andersartigkeit und in sprachlichen Defiziten fänden. Das Land NRW hat für den Bereich Prävention und Integration ausländischer Inhaftierter zusätzliche Stellen geschaffen, die in den JVA´en des Landes sinnvoll und gut eingesetzt werden könnten. Für die Arbeit mit psychisch auffälligen oder erkrankten Menschen bestehe jedoch ein Nachholbedarf. Dies gelte ausdrücklich auch für den Jugendarrestvollzug, weil dort nicht unmittelbar auf Psychologen oder Psychiater zurückgegriffen werden könne.
Im Gegensatz zu früher ist hier ein sich verstärkender Trend zu beobachten, Schwangere – auch wenn noch kein gesetzliches Beschäftigungsverbot greift - sehr schnell aus dem Arbeitsprozess herauszunehmen. Hier greift die Fürsorgepflicht des Dienstherrn für das ungeborene Leben und da wird zwischenzeitlich sehr vorsichtig agiert. Dies gilt selbst dann, wenn die Betroffenen solch eine Herausnahme gar nicht wünschen. Aus Gesprächen mit Betroffenen ist bekannt, dass sie sich manchmal wie ansteckend Erkrankte fühlen. Erschwerend komme hinzu, dass für die Zeiten der Herausnahme aus dem Arbeitsprozess, ohne dass ein gesetzliches Beschäftigungsverbot vorliegt, keine Ersatzeinstellungen erfolgen könnten. Hierdurch wird vielfach eine Arbeitsverdichtung für die restlichen Kolleginnen und Kollegen ausgelöst, die sich über viele Monate erstrecken kann.
Aus Sicht des Arbeitskreises wäre es wichtig und notwendig, einheitliche Verfahrensregelungen für den Umgang mit Schwangeren und deren dienstliche Verwendungsmöglichkeiten zu schaffen, um ein Stück Handlungssicherheit für alle Beteiligten zurückzugewinnen. Es gibt auch im Vollzug Arbeiten ohne unmittelbaren Gefangenenkontakt, die von Schwangeren erledigt werden könnten, um die restlichen Laufbahnangehörigen von administrativen Aufgaben zu entlasten. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung müsste auch über Möglichkeiten der Heimarbeit diskutiert werden.
Wesentliche weitere Themen der Arbeitskreissitzung waren das Beurteilungssystem, das duale Studium der Sozialarbeit und die unzureichenden Aufstiegschancen von Tarifbeschäftigten. Hierzu liegt ein abschließendes Meinungsbild allerdings noch nicht vor. Der Arbeitskreis hat sich vorgenommen, diese Themenfelder weiter zu diskutieren und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Laufbahnangehörigen angemessen Rechnung tragen.