Politik attackiert die Grundprinzipien des Beihilfenrechts
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hangelt sich von einem Finanzierungsdefizit zum nächsten, obwohl reichlich Geld im System vorhanden ist. Da sich die Politik an die Leistungserbringer und die Pharmaindustrie offenbar nicht herantraut, soll die Einnahmenseite vergrößert werden, damit ein ohnehin bereits überteuertes System künftig wohl noch teurer werden kann.
Die Lösung sehen speziell die SPD, die Linken und die Grünen in der Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle Beschäftigten und Selbständigen einzahlen sollen. Erst vor wenigen Monaten hat ein Gutachten der Bertelsmann-Stiftung die Politik in diesem Glauben bestärkt. Jetzt ist der Berliner Senat initiativ geworden und hat dem Bundesrat einen Entschließungsantrag für erste Schritte in Richtung einer Bürgerversicherung vorgelegt. Der Bundesrat hat diesen Antrag am 31. März 2017 an seine Ausschüsse überwiesen.
Nachdem die Bertelsmann-Stiftung eine von ihr in Auftrag gegebene Studie vorgelegt hat, mit der behauptet wird, durch die Abschaffung des Beihilfesystems ließen sich die öffentlichen Haushalte bis zum Jahr 2030 um sage und schreibe 60 Milliarden Euro entlasten, hat der Berliner Senat diesen Ball jetzt augenscheinlich aufgegriffen. Der vorgelegte Entschließungsantrag zielt darauf ab, die Bundesregierung zur Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes zu veranlassen, mit dem erste Schritte in Richtung Bürgerversicherung eingeleitet werden sollen.
Würde man die Beamten in einem Zuge in die gesetzliche Krankenversicherung überführen, wäre dies eine sehr teure Maßnahme, weil nicht nur jeden Monat Arbeitgeberanteile zu dieser Versicherung zu entrichten wären, sondern auch die Bruttogehälter der Beamten angehoben werden müssten, um deren Kaufkraft nicht absinken zu lassen und dem Grundsatz der Besitzstandswahrung Rechnung zu tragen.
Hier setzt der Berliner Vorschlag an. Um die Anhebung der Gehälter möglichst zu umgehen, sollen die Beamten nicht einfach in die GKV überführt werden, sondern die GKV soll für Beamte finanziell so attraktiv gestaltet werden, dass sich die Betroffenen freiwillig für dieses System entscheiden. Ist diese Entwicklung erfolgreich, so hofft man offenbar, erübrige sich die an sich notwendige und gebotene Anhebung der Bruttogehälter der Beamten.
Um diese Überlegungen zu realisieren, fordert der Entschließungsantrag die Bundesregierung auf, den Beamten zeitnah einen bezahlbaren Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung auf freiwilliger Grundlage zu ermöglichen. Zur Begründung muss mal wieder die durch die Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebene Studie mit ihren unrealistischen Ergebnissen herhalten.
Der BSBD hat bereits kritisiert, dass es der Studie an der erforderlichen Seriosität und wissenschaftlicher Expertise mangelt, weil ihre Hochrechnungen so gar nicht übereinstimmen wollen mit den tatsächlichen Fakten und Erfahrungen, die die Bundesländer bislang jährlich machen können. Hier war es nämlich bislang stets so, dass die Aufwendungen für Beihilfen regelmäßig hinter jenen Kosten zurückgeblieben sind, die für Arbeitgeberanteile zur GKV hätten aufgewendet werden müssen, wären Beamte versicherungspflichtig.
Bei Stiftungen, die von Großunternehmen gegründet worden sind, ist grundsätzlich Vorsicht geboten, weil unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit oftmals knallharte Lobbyarbeit betrieben wird. Würden die Beamten in die Versicherungspflicht einbezogen, so vermutlich die Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung, könnten die Beiträge zur GKV unter Umständen gesenkt und die Unternehmen so finanziell entlastet werden. Gerade der SPD ist Besonnenheit im Umgang mit Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung anzuraten. Schließlich ist sie ein gebranntes Kind. Nicht zuletzt die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung zur Agenda 2010 haben die Sozialdemokratie in ernsthafte existenzielle Schwierigkeiten gebracht, während die Unternehmen in exorbitanter Weise profitieren konnten.
BSBD-Landesvorsitzender Peter Brock hatte bereits bei Vorstellung Studie der Bertelsmann-Stiftung darauf hingewiesen, dass die Beihilfen ein wesentlicher Bestandteil der Alimentation sind und unter dem verfassungsrechtlichen Schutz des Artikels 33 Abs. 5 des Grundgesetzes stehen. Um diese hohe Hürde zu umgehen, erläuterte der BSBD-Chef, setze der Vorschlag des Berliner Senats auf das Freiwilligkeitsprinzip. "Dies ist ein durchschaubares Manöver, das darauf abzielt, das Beihilfensystem von innen auszuhöhlen. Der BSBD wird sich allen Bestrebungen widersetzen, das bewährte System der Beihilfen zu liquidieren!“, machte Peter Brock die Gewerkschaftsposition deutlich.
Friedhelm Sanker