Müssen deutsche Arbeitnehmer den Gürtel enger schnallen, weil uns die Europäische Union so wert und teuer ist?
Die deutsche Politik und die deutschen Unternehmen werden nicht müde, die Vorteile der Europäischen Union (EU) in den buntesten Farben zu malen. Unternehmen haben ja auch prächtig profitiert von einem einheitlichen Wirtschaftsraum ohne behindernde Zollschranken. Die Freizügigkeit innerhalb Europas sorgte zudem dafür, dass die Unternehmen aus einem Heer von zusätzlichen Arbeitskräften auswählen konnten, die zudem noch kostengünstig zu haben waren.
Es ist folglich auch nicht verwunderlich, dass die Unternehmensgewinne in den zurückliegenden zehn Jahren geradezu explodiert sind. Haben aber auch deutsche Arbeitnehmer profitieren können? Bei nüchterner Betrachtung kann man diese Frage getrost verneinen. Während die Unternehmen und damit die Vermögenden profitieren, sammeln sich die finanziellen Risiken dieser Entwicklung beim gemeinen deutschen Steuerzahler.
Dies ist bei der Griechenlandkrise so, wo der Grundsatz, das jedes Land seine eigenen Schulden zu begleichen hat, faktisch längst aufgegeben wurde. Weitere Risiken drohen durch die erpresserische Haltung der britischen und der griechischen Regierung. Die einen wollen gerade von den finanziellen Risiken entbunden werden, während die anderen ihre Schuldenlast abgenommen haben wollen. Wenn es ums Geld geht, können sich unsere europäischen Partner auf die deutsche Politik verlassen. Bevor Risiken für das europäische Haus zu groß werden, zahlt Deutschland lieber.
Bei der gerechten Verteilung von Kriegs- und Armutsflüchtlingen sowie Asylbewerbern ist dann aber schnell das Ende der Solidarität der Partner erreicht. Die mit Abstand größten Lasten trägt Deutschland. In Bayern lässt sich sehr schön beobachten, dass dort Menschen ankommen, die europäischen Boden zuvor bereits in einem anderen Land betreten haben. Diese offensichtlichen Verstöße gegen EU-Recht werden einfach hingenommen. Was soll der Bürger eigentlich davon halten, wenn die Staaten Europas eingegangene Verpflichtungen einfach ignorieren?
Vor wenigen Tagen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel im Rahmen einer Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern eingeräumt, dass Deutschland faktisch ein Einwanderungsland sei. Wenn dies aber so ist, warum haben wir dann kein Einwanderungsgesetz, mit dem wir die Bedingungen festlegen, wer kommen kann und wer nicht? Bereits gegenwärtig weisen viele Migranten Integrationsdefizite auf. Und auch Deutschland wir nicht unbegrenzt Menschen aufnehmen können, die unsere grundgesetzlich kodifizierten Werte weder respektieren noch als Grundlage ihrer eigenen Lebensführung akzeptieren.
Unter der Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern ächzen und stöhnen die bundesdeutschen Kommunen. Sie wissen kaum noch, wie sie die Belastungen trotz der Finanzhilfen des Bundes tragen sollen. Vielfach muss in den Haushalten gespart werden. Infrastruktur verfällt, Angebote werden zurückgefahren, was der gemeine Steuerzahler seinerseits als Belastung empfindet. Und dann ist da noch die Freizügigkeit in Europa, die Urlauber schätzen, weil sie an den Grenzen Europas keinen Pass mehr vorzeigen müssen. Diese Freizügigkeit führt allerdings auch zu jenem Sozialtourismus, den der britische Premierminister David Cameron jetzt für sein Land nicht mehr akzeptieren möchte. Er bereist gegenwärtig die europäischen Hauptstädte, um Unterstützung für eine Änderung des „Lissabon-Vertrages“ zu erhalten. In Berlin ist Cameron dieser Tage durchaus auf Verständnis gestoßen. Angela Merkel will den Briten wohl die Zustimmung zum Verbleib im europäischen Haus schmackhaft machen. Dabei ist doch klar, dass Deutschland mehr finanzielle Mittel für Europa wird aufbringen müssen, wenn Cameron seine Entlastungswünsche durchsetzt.
Was den Sozialtourismus anbelangt, so wird dieses Phänomen von der Politik in seiner Bedeutung nicht ausreichend zur Kenntnis genommen. Wie ist es anders zu verstehen, dass der Missbrauch von Sozialleistungen in Deutschland statistisch gar nicht nach Nationalitäten getrennt durch die Bundesagentur für Arbeit erfasst wird. Man will es offenbar nicht so genau wissen oder man scheut die öffentliche Diskussion.
Nachdem der britische Premier Cameron Druck macht, ist auch die amtierende EU-Kommission in dieser Frage offener geworden. Sie betont zwar - wie ihre Vorgängerin -, dass das abstrakte Recht auf Freizügigkeit unantastbar sei, weist aber zugleich darauf hin, dass Freizügigkeit nicht als Vorwand für den Missbrauch von Sozialleistungen in einem anderen EU-Land dienen dürfe. Dies sind ganz neue Töne aus Brüssel.
Das deutsche Sozialrecht sieht vor, dass Zuwanderern in den ersten drei Monaten Hartz IV-Leistungen versagt werden können. Hiergegen haben etliche Betroffene vor dem EuGH geklagt. Jetzt hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes, Melchior Wathelet, dafür plädiert, diese Ausschlussregelung im deutschen Sozialrecht für rechtens zu erklären. Würde Deutschland gezwungen, Sozialleistungen vom ersten Monat zu gewähren, so Wathelet, könnte dies eine die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit gefährdende Massenzuwanderung auslösen.
Ganz so einfach ist es nicht, weil sich die dreimonatige Wartezeit leicht umgehen lässt. Wer zur Arbeitssuche nach Deutschland kommt, hat während der ersten drei Monate keinen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen, es sei denn, er war in dieser Zeit bereits beschäftigt und hat seine Arbeit unverschuldet wieder verloren. Oder er verdient so wenig, dass er damit seine oder die Existenz seiner Familie nicht sichern kann. In diesem Fall kann jeder EU-Bürger – wie deutsche Arbeitnehmer auch – aufstockende Sozialleistungen beantragen.
Und wer zum Schein ein Gewerbe – etwa als Zettelverteiler oder Schrottsammler – anmeldet, kann vom Jobcenter eine „Aufstockung“ seiner Einkünfte verlangen. Denn auch Selbständigen darf „Hartz IV“ nicht verweigert werden. Wer die Augen nicht gänzlich vor der Realität verschließt, der kann am Horizont der europäischen Entwicklung bereits die künftige Transferunion aufscheinen sehen.
Dies alles sind finanzielle Risiken, die unsere Politiker eingegangen sind, und die dazu beitragen, dass deutsche Arbeitnehmer im zurückliegenden Jahrzehnt keineswegs profitieren konnten. Im Gegenteil: Der Lebensstandard ist im Vergleich Volkswirtschaften gesunken. Besonders die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben unter dieser Entwicklung gelitten, weil sie nicht in dem erforderlichen Maße an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilgenommen haben. Es ist folglich an der Zeit, die künftigen politischen Entwicklungen kritisch zu begleiten und sicherzustellen, den berechtigten Interessen der Kolleginnen und Kollegen verstärkt Geltung zu verschaffen.