22. Januar 2016

JVA Aachen: Sicherungsverwahrter bei Ausführung in der Kölner Innenstadt entwichen

Wegen mehrerer Vergewaltigungen hatte Peter Breidenbach bis 1999 eine langjährige Freiheitsstrafe verbüßt und war anschließend wegen fortbestehender Gefährlichkeit für die Allgemeinheit in der Sicherungsverwahrung der JVA Aachen untergebracht worden. Nach dem Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz stehen ihm jährlich vier Ausführungen zu, falls diesen Maßnahmen nicht gravierende Gründe entgegenstehen.

Obwohl sich Breidenbach bislang als wenig mitarbeitsbereit erwies und therapeutische Behandlungen ablehnte, sind ihm vollzugsöffnende Maßnahmen nicht verwehrt worden. Seit Mitte 2014 hatte Breidenbach acht Ausführung komplikationslos absolviert. Die neunte Ausführung nutzte er jetzt, um am 20. Januar 2016 aus dem Brauhaus Früh in Köln zu entweichen.

Begleitet von zwei Kollegen war Breidenbach nach Köln ausgeführt worden, um Kleidung zu kaufen und den Kontakt zu seinem ehemaligen Wohnort zu behalten. Wegen des bislang unproblematischen Verlaufs früherer Ausführungen war keine Fesselung angeordnet worden. Einen Gang zur Toilette nutze er dann, um sich der Beaufsichtigung und der weiteren Vollziehung der Sicherungsverwahrung zu entziehen.

In den Medien wird bislang wenig Verständnis für den Umstand bekundet, dass sich Breidenbach ungefesselt in der Öffentlichkeit bewegen konnte, obwohl er weiterhin als gefährlich gilt. Sofort wurde deshalb ein Systemversagen vermutet und die Frage nach den erforderlichen Konsequenzen aufgeworfen.

Das seit 2013 in Kraft befindliche Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz NRW setzt um, was die europäische und deutsche Rechtsprechung an Mindeststandards entwickelt haben. Bei dem verständlichen Wunsch der Allgemeinheit, vor gefährlichen Rechtsbrechern geschützt zu sein, muss dabei eine Entlassungsperspektive für jeden Sicherungsverwahrten erhalten bleiben. Deshalb ist sie freiheitsorientiert und therapiegerichtet auszugestalten.

Wegen dieser gesetzlichen Vorgaben sind Erprobungen im Rahmen von vollzugsöffnenden Maßnahmen geboten. Die mit solchen Lockerungen für die Allgemeinheit verbundenen Sicherheitsrisiken sind systemimmanent. Landesvorsitzender Peter Brock hat gegenüber der Presse kritisiert, aus Anlass solcher Sicherheitsstörungen nicht immer gleich die Strafvollzugsbediensteten an den „medialen Pranger“ zu stellen und Konsequenzen zu fordern. „Täglich ereignen sich Tausende von Verkehrsunfällen auf unseren Straßen, bei denen Menschen zu Schaden und zu Tode kommen. Nie aber ist zu hören, dass der Individualverkehr deshalb grundlegend verändert werden müsste“, kritisierte der Gewerkschafter.

Selbstverständlich, so Brock, müssten die Umstände der Entweichung akribisch aufgearbeitet werden. Dabei könne sicherlich auch überlegt werden, ob eine Gesetzesverschärfung sinnvoll sei, nicht therapiewillige Verwahrte generell von vollzugsöffnenden Maßnahmen auszuschließen oder während der Dauer von Ausführungen elektronische Fußfesseln einzusetzen. „Ich verwahre mich allerdings dagegen, immer in den begleitenden Kollegen das Hauptproblem von Ausführungen zu sehen. Vollzugsöffnende Maßnahmen sind ein gewolltes Sicherheitsrisiko, das von der Allgemeinheit zu tragen ist. Deshalb ist der Dienstherr im Falle von Sicherheitsstörungen gut beraten, sich hinter seine Bediensteten zu stellen und sie nicht sofort mit disziplinarrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahren zu überziehen. Einen zur Flucht entschlossenen Verwahrten, der dazu noch ungefesselt ist, während einer Ausführung von seinem Vorhaben abzuhalten oder selbiges zu verhindern, ist eine risikobehaftete Herausforderung. Wir können stolz drauf sein, dass sich aus Anlass von Hunderten von Ausführungen nur ganz selten Sicherheitsstörungen ereignen. Dies verdanken wir einem intensiven Prüfverfahren und der beruflichen Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen“, machte Peter Brock die Haltung des BSBD in dieser Frage klar.

Friedhelm Sanker