Kein Fernseher: Häftling zündet Zelle an
Brand in der JVA Herford
In der JVA Herford, einer Einrichtung des Jugendvollzuges, hat sich ein zwar nicht alltägliches, aber doch neuerdings vermehrt auftretendes Vorkommnis zugetragen. Im Oktober 2018 hatte ein 20-jähriger Gefangener mit Migrationshintergrund und unklarer Identität den von ihm bewohnten Haftraum in Brand gesetzt.
Für diese Tat musste er sich im Dezember 2019 vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Herford verantworten. Interessant ist der Fall deshalb, weil an ihm exemplarisch deutlich wird, dass es oftmals nichtige Gründe sind, die Gefangene zu einem Suizidversuch oder dem Eingehen großer Gesundheitsrisiken für Bedienstete und Mitgefangene veranlassen.
Um seine Motivation zu begründen, hatte er für das Gericht eine überaus schlichte Erklärung parat: „Mir ging’s nicht gut. Ich wollte mich umbringen.“ Schlecht ging es ihm, weil er nicht sofort einen Fernseher bekam. Dies war für den jungen Mann Grund genug, in seinem Haftraum auszurasten, den Schrank umzuwerfen, das Bett aus der Verankerung zu reißen und diese Haftraumausstattung mittels seiner angezündeten Kleidung in Brand zu setzen.
Dass er bei seinem Suizidversuch keine erheblichen gesundheitlichen Schäden davontrug, war nur dem schnellen und besonnenen Eingreifen der Herforder Kolleginnen und Kollegen zu verdanken. Dem Gericht schilderte eine Kollegin die Situation als Zeugin wie folgt: „Zuerst hat es im betroffenen Haftraum gescheppert und geknallt. Als wir die Tür öffneten, war der Raum voller Rauch. Der Gefangene befand sich in unmittelbarer Nähe des Fensters und weigerte sich, den Raum freiwillig zu verlassen.“ Mehrere Kollegen seien daraufhin unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken in den Haftraum eingedrungen, hätten den jungen Mann gepackt und in einem anderen Haftraum untergebracht. Da der Brand erst im Entstehen begriffen war, gelang es den Kolleginnen und Kollegen die Flammen durch den Einsatz von Feuerlöschern zu ersticken.
Das Ausmaß der Verwüstung des Haftraums war beträchtlich. Schrank, Bett und Fensterscheibe fielen der Zerstörungswut des Gefangenen zum Opfer. Der Brand machte den Raum dann vollends unbewohnbar. Das Jugendschöffengericht sprach in seiner Urteilsbegründung von verfestigten schädlichen Neigungen und bescheinigte dem 20-Jährigen schwere charakterliche Mängel, woraus sich nur eine sehr schlechte Sozialprognose ableiten lasse.
Der 20-Jährige, dessen Nationalität nicht gesichert ist, kam 2015 als Flüchtling aus Marokko über Italien nach Deutschland. Er entstammt, seinen Angaben zufolge, einer bettelarmen Familie. Er verfügt über keinerlei Schulbildung, keine Arbeit und keine Bindungen. In Deutschland hat er einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Seine Abschiebung scheitert bislang an seiner ungeklärten Identität. Zwei potenzielle Herkunftsländer – darunter Marokko – haben seine Aufnahme abgelehnt.
In Deutschland ist der junge Mann seit seiner Ankunft immer wieder straffällig geworden. Er dealte mit Marihuana, beging zahlreiche Eigentumsdelikte und eine Körperverletzung. Zunächst ging die Justiz sehr nachsichtig mit ihm um. Nachdem jedoch die Zahl der Straftaten zunahmen und sich die Rückfallgeschwindigkeit immer mehr erhöhte, landete er für etwas mehr als ein Jahr im Herforder Jugendgefängnis.
Sein gescheiterter Suizidversuch trug ihm jetzt die Verlängerung der Strafzeit ein. Das Jugendschöffengericht Herford verurteilte ihn wegen versuchter schwerer Brandstiftung und Sachbeschädigung zu weiteren fünf Monaten Freiheitsstrafe.
Der 20-Jährige steht sinnbildlich für viele Nordafrikaner, die ohne Asylgrund illegal nach Deutschland einreisen, um für sich und ihre Familien ein besseres Leben zu finden. Er gibt allerdings auch ein gutes Beispiel dafür ab, wie sorglos diese Klientel Leben und Gesundheit zur Durchsetzung von Forderungen und Wünschen einsetzt.
In dieser Hinsicht kommen dann unverhofft Risiken auf die Strafvollzugsbediensteten zu, mit denen man nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen musste. Dies hat uns der Fall des Amad A. klar vor Augen geführt, der einen Brand in der JVA Kleve legte, an dessen Folgen er später in einer Bochumer Spezialklinik verstarb. Die Polizei hatte sich bei der korrekten Feststellung der Identität des Gefangenen geirrt. Dies ist sicher ein berechtigter Grund für Medien und Politik nachdrückliche Ursachenaufklärung zu fordern. Die Strafvollzugsbediensteten aber gleichfalls mit Vermutungen und Verdächtigungen zu überziehen, schoss doch etwas über das Ziel hinaus.
Vermutlich sind es unsere „Steinzeitgene“, die unseren Jagdinstinkt immer noch wachhalten. Bevor seitens der Medien und auch der Politik diesem Jagdinstinkt nachgegeben wird, sollte allerdings zunächst eine rationale Kontrollebene eingezogen werden, um nicht Strafvollzugsbedienstete zu brüskieren, die Leben und körperliche Unversehrtheit riskierten, um Amad A. das Leben zu erhalten. Diese Kolleginnen und Kollegen, die nach dem Einsatz alle medizinisch behandelt werden mussten, hätten Lob und Anerkennung verdient gehabt. Stattdessen wurden sie mit Vorhaltungen und Verdächtigungen konfrontiert.
Offenbar können sich weder Medienvertreter noch beteiligte Politiker vorstellen, dass Gefangene sich mitunter rational kaum nachvollziehbar verhalten. Das Beispiel des 20-Jährigen aus der JVA Herford belegt dies nachdrücklich. Er ließ sich zu einem spontanen Suizidversuch hinreißen, weil er nicht sofort einen Fernseher bekam. Dafür riskierte er sein eigenes Leben und das seiner Mitgefangenen. Dieses Beispiel sollten Medienvertreter und Politiker in ihr Bewusstsein heben, dann ließen sich vielleicht bestehende Vorbehalte abbauen, Vertrauen könnte wachsen.
Friedhelm Sanker