Erste Dienstrangabzeichen gesichtet!
Wie man eine einfache Entscheidung so komplex gestaltet, dass sie nachher auch wirklich niemand mehr verstehen und nachvollziehen kann, dafür ist die Einführung der Dienstrangabzeichen im NRW-Strafvollzug ein exemplarisches Beispiel. Der NRW-Vollzug hat sich damit unversehens an die Spitze der Skala für rational völlig unverständliche Entscheidungen katapultiert.
Dabei hatte alles zunächst sehr harmonisch angefangen. Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) hatte bereits 2013 entschieden, die Kolleginnen und Kollegen über das Tragen von Dienstrangabzeichen abstimmen zu lassen. Das Abstimmungsergebnis, 52,6 Prozent der Betroffenen votierten für Dienstrangabzeichen, sorgte dann aber wohl nicht für die richtige ministerielle Begeisterung. Vermutlich wurde deshalb nach Mitteln und Wegen gesucht, dem positiven Abstimmungsergebnis der Betroffenen möglichst nicht vollumfänglich entsprechen zu müssen.
Wo ein Wille ist, da findet sich bekanntlich meist auch ein Weg. Dies war bei der Frage der Einführung von Dienstrangabzeichen nicht anders. Zunächst wurde argumentiert, es hätten sich zu wenige Dienstkleidungsträger an der Abstimmung beteiligt, so dass sich nur eine relative Mehrheit für deren Einführung ausgesprochen habe. Als dieser spontane Gedanke das Bewusstsein der Handelnden erreichte, müssen sie stutzig geworden sein. Bei Anlegung eines solchen Maßstabes wären künftig nämlich kaum noch Mehrheitsentscheidungen möglich. Also besann man sich auf eine Regelungsalternative: die Freiwilligkeit!
Der Justizminister präsentierte dem Hauptpersonalrat und dem verdutzten Publikum sodann den Vorschlag, jeden Dienstkleidungsträger selbst darüber entscheiden zu lassen, ob er Dienstrangabzeichen trägt oder ob er dies nicht tut. Was zunächst als satirische Komponente aufgefasst worden war, stellte sich jedoch als definitiver ministerieller Wille heraus.
Das Mitbestimmungsgremium stimmte diesem Vorschlag dann schweren Herzens zu, weil die Gefahr bestand, das Justizministerium könne seinen Zustimmungsantrag ersatzlos zurückziehen. In diesem Fall wäre das Ergebnis der Abstimmung der Kolleginnen und Kollegen ins glatte Gegenteil verkehrt worden. Dies konnte und wollte der Hauptpersonalrat nicht riskieren.
Ursache des ministeriellen Sinneswandels sollen schwerwiegende Bedenken der Leitungen der nordrhein-westfälischen Vollzugseinrichtungen gewesen sein. Jetzt müssen wir mit einer Regelung leben, die selbst von den Gegnern der Dienstrangabzeichen nicht verstanden wird und bei allen Beteiligten ein hohes Maß an Befremden ausgelöst hat.
Bei Außenkontakten ist es für die Kolleginnen und Kollegen wichtig, dass sie als hoheitlich handelnde Amtspersonen erkannt werden und auch bei außerordentlichen Sicherheitsstörungen machen Dienstrangabzeichen die Über- und Unterordnungsverhältnisse auf einen Blick deutlich, so dass man sich nicht mit Zuständigkeitsfragen aufhalten muss. Für Dienstrangabzeichen im Strafvollzug gibt es deshalb durchaus eine Berechtigung. Diese sachliche Rechtfertigung wird jedoch durch die jetzt gefundene Regelung konterkariert.
Der BSBD-Landesvorsitzende Peter Brock sieht die Lösung des jetzt aufgetretenen Problems darin, dass die Strafvollzugsbediensteten sich solidarisch zeigen und künftig freiwillig möglichst flächendeckend Dienstrangabzeichen tragen. Durch eine solch geschlossene Haltung könne einem unwürdigen Gezerre und der Einflussnahme von Vorgesetzten und Dienstvorgesetzen vorgebeugt werden. „Es darf nicht sein, dass das Tragen von Dienstrangabzeichen Karrieren behindert oder befördert. Dies können wir durch das einheitliche Tragen von Dienstrangabzeichen verhindern. Wir sollten der Administration zeigen, dass wir Strafvollzugsbedienstete uns demokratischen Prinzipien verpflichtet fühlen und demokratische Entscheidungen respektieren“, stellte der Gewerkschafter klar.
Zwischenzeitlich sind die zugelassenen Lieferanten von Dienstkleidung in der Lage, auch Dienstrangabzeichen anzubieten. Hier und da tauchen bereits erste Träger von Dienstrangabzeichen im Arbeitsalltag auf. Eines lässt sich bereits jetzt sagen: Die Akzeptanz der Dienstrangabzeichen durch die Öffentlichkeit scheint vorhanden zu sein.