Arbeitgeberforderung nach Änderungen beim Arbeitsvorgang zunächst vom Tisch
Seit Jahren verfolgt die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) eine subtile Strategie. Sie will die rechtlichen Festlegungen zum Arbeitvorgang in dramatischer Weise zum Nachteil der Beschäftigten verändern. Diese Zielsetzung im Rahmen von Tarifverhandlungen zu erreichen, hat sich als nicht realisierbar erwiesen.
Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes zu entsprechenden Zugeständnissen zu bewegen, ist kläglich gescheitert. Die Arbeitgeber gaben ihr Vorhaben jedoch nicht auf, sondern unternahmen den Versuch, die Gerichte für ihre Vorstellungen zu gewinnen. Dabei ist die Rechtsprechung zum Arbeitsvorgang eigentlich sehr eindeutig. Deshalb war es auch nicht überraschend, dass das Bundesverfasungsgericht die Verfassungsbeschwerde der TdL uns des Landes Berlin nicht zur Entscheidung angenommen hat (Aktenzeichen 1 BvR 382/21).
Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder verfolgte bereits in der Tarifrunde 2021 die Strategie, ultimativ auf Verhandlungen über die Regelungen zum Arbeitsvorgang zu bestehen. Ohne Neuregelungen zum Arbeitsvorgang, so die Arbeitgeber damals, würden sie keinen Tarifvertrag unterzeichnen. Die öffentlichen Arbeitgeber hatten sich in den Kopf gesetzt, die Einheitlichkeit des Arbeitsvorgangs, wie sie wiederholt durch das Bundesarbeitsgericht bestätigt worden ist, im Verhandlungswege zu zerschlagen. Dies hätte den Arbeitgebern die Möglichkeit eröffnet, Eingruppierungen zum Nachteil der Betroffenen zu verändern.
Dies war ein überaus konfrontativer Ansatz, der die Verhandlungen 2021 schwer belastete, weil eine vergiftete Verhandlungsatmosphäre geschaffen wurde. Es war also klar, dass es ein zähes Ringen geben würde. Das Ergebnis war dann auch entsprechend. Dass die Gewerkschaften das Herumdoktern am einheitlichen Arbeitsvorgang abwehren konnten, kann allerdings nicht hoch genug bewertet werden.
Hätten sich die öffentlichen Arbeitgeber in diesem Punkte durchgesetzt, hätte dies zu niederigeren Eingruppierungen von Tausenden Kolleginnen und Kollegen geführt. Um mal ein Beispiel zu geben: Begibt sich ein Administrator zum Serverraum seiner Behörde, um die Datensicherung vorzunehmen, so sollte nach dem Willen der Arbeitgeber künftig nur noch das unmittelbare Anstoßen des Sicherungsvorgangs als höherwertige Tätigkeit anerkannt werden. Die Zeiten für den Weg zum Serverraum sollten nicht mehr dazu gehören. Niedrigere Eingruppierungen und entsprechend niederigere Einkommen wären die Konsequenz gewesen. Dies war und ist für Gewerkschafter einfach unannehmbar!
Nachdem sich die Tarifgemeinschaft deutscher Länder beim Thema Arbeitsvorgang ideologisch in die Sackgasse manövriert hatte, war sie bislang auch nicht bereit, in anderen Verhandlungsfeldern konstruktive Lösungen mit den Gewerkschaften zu vereinbaren. Auch das leidige Thema der Krankenpflegezulage, die in Nordrhein-Westfalen beamteten Kräften gezahlt und beschäftigten Kräften immer noch vorenthalten wird, findet seine Ursache in der völlig bornierten Blockadehaltung der in der TdL organisierten Arbeitgeber. Der aktuelle Fachkräftemangel auch im öffentlichen Dienst, der finanzielle Anreize erforderlich macht, wird seitens der Arbeitgeber völlig ausgeblendet. In der Konkurrenz um die besten Köpfe ist der öffentliche Dienst deshalb weiter zurückgefallen.
Um den gordischen Knoten des Verhandlungsstillstands endlich zu durchschlagen, haben die Gewerkschaften Gesprächsbereitschaft unabhängig von den Einbkommensrunden signalisiert. Die zwischenzeitlich mit den NRW-Arbeitgebern geführten Gespräche lassen uns hoffen und mit einiger Zuversicht in die Zukunft blicken, dass sich die Haltung der TdL in ihrer Gesamtheit nunmehr ändert.
Nachdem sich die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) bei den Tarifverhandlungen nicht hatte durchsetzen können, versuchte sie es auf dem Rechtsweg und reichte gemeinsam mit dem Land Berlin eine Verfassungsbeschwerde ein. Unmittelbar vor Weihnachten hat das Verfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, die diesbezügliche Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Die TdL und Berlin wollten durch das Verfassungsgericht feststellen lassen, dass zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 09. September 2020 (Aktenzeichen 4 AZR 195/20 und 4 AZR 196/20) zum Thema „Arbeitsvorgang" Grundrechte der Beschwerdeführer verletzten. Es wurde beantragt, die Verfahren an das Bundesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
Die Verfassungsrichter lehnten diesen Antrag ab und begründeten dies mit formalrechtlichen Erwägungen. So sei die TdL nicht beschwerdebefugt gewesen, weil sie nicht Partei des Ursprungsverfahrens war. Das Land Berlin sei ebenfalls nicht beschwerdeberechtigt, weil es sich als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht auf Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte berufen könne. Die beiden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts behalten danach weiter ihre Rechtskraft und sind nach wie vor zu beachten und umzusetzen.
In einer ersten Stellungnahme zeigte sich die BSBD-Tarifexpertin Birgit Westhoff erleichtert, dass es bis auf Weiteres bei der Einheitlichkeit des Arbeitsvorgangs verbleibt. „Jede andere Entscheidung“, so die Gewerkschafterin, „hätte uns vor sehr große Probleme gestellt. Wenn wir die unbedingt notwendige Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes endlich angehen wollen, dann wären Verschlechterungen bei den Eingruppierungen der denkbar schlechteste Beginn eines solchen Vorhabens gewesen.” Birgit Westhoff sieht ihre und die Rechtsauffassung des BSBD NRW durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt und blickt mit deutlich positiveren Erwartungen auf die im Herbst anstehenen Tarifverhandlungen für den Bereich der Bundesländer. „Ich erwarte, dass es uns in dieser Tarifrunde gelingen wird, neben akzeptablen Einkommensverbesserungen auch die beschäftigten Pflegekräfte endlich in den Genuß der Krankenpflegezulage gelangen zu lassen".
Friedhelm Sanker