Wird Deutschland gerecht finanziert? Die Inflation lässt die Steuereinnahmen kräftig sprudeln
Deutschland hat eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten weltweit. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die seit Mitte 2021 auf Rekordniveau befindlichen Inflationsraten die Staatseinnahmen nochmals kräftig ansteigen lassen. In Deutschland ist der Staat besonders gierig, wenn es darum geht, seinen Bürgern das meist hart erarbeitete Einkommen „abzujagen". Die Steuerquote hat in 2022 mit 24,5 Prozent einen neuen Rekordwert erreicht.
Die kalte Progression tat ihr Übriges, um die Steuerquote weiter anschwellen zu lassen. Wenn ein Arbeitnehmer durch eine tarifliche Lohnerhöhung, die nicht inflationsausgleichend war, in einen höheren Steuertarif rutschte, bat der Staat zusätzlich zur Kasse, obwohl das Realeinkommen gesunken war. Die kalte Progression soll zwar periodisch ausgeglichen werden, die Anpassungen fallen allerdings meist unzureichend aus. Die Politik hält sich hier meist zurück.
Der Staat hat zwar im letzten Jahr wegen der durch den Ukrainekrieg explodierenden Preise diverse Entlastungs- und Ausgleichspakete aufgelegt, die das Ansteigen der Steuerquote aber leider nicht verhindern konnten. Leider bewirkten sie nicht, dass den Personen mit dem größten Unterstützungsbedarf vorrangig geholfen wurde.
Aktuell ist die Bundesregierung gerade dabei, ihre ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen verstärkt in den Blick zu nehmen, nachdem es in 2022 im Wesentlichen darum gegangen war, die Versorgung mit Strom, Öl und LNG-Gas zu gewährleisten. Da wir unsere Energie stets zu Höchstpreisen eingekauft haben, sind auch für die Verbraucher die Kosten völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Inflation, die sich unverändert oberhalb von 8 Prozent bewegt, hat so manchen Bürger in existenzielle Not gebracht, zumal der Staat bei jedem Einkauf mit der Mehrwertsteuer nochmals die Hand aufhält.
Und gerade in dieser Situation, die den Bürgern bereits enorme Sparanstrengungen zumutet und abverlangt, die klimaneutrale Tranformation der Wirtschaft, den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Sanierung des Gebäudebereiches voranzutreiben, darf schon als sehr ambitioniert gelten.
Damit der soziale Aspekt nicht vollständig übergangen wird, ruft die Politik von links und ganz links nach höheren Steuersätzen und der Einführung einer Vermögenssteuer. Die FDP aber weigert sich beharrlich, an der Steuerschraube zu drehen oder die Schuldenbremse auszusetzen. Und dies aus gutem Grund: Immerhin hatte die FDP die Punkte zur Voraussetzung für ihre Unterschrift unter den Koalitionsvertrag gemacht.
Weil aber die Vorstellungen der roten und grünen Minister viel höher sind und nur mit zusätzlichen Einnahmen oder weiterem Schuldenaufbau finanziert werden können, hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) immer noch keine Eckwerte für den Bundeshaushalt 2024 vorgelegt.
Dass der Finanzminister auf die Ausgabenbremse tritt, hat durchaus seine Berechtigung. Deutschland hat nämlich kein Einnahmeproblem, Deutschland gibt einfach zuviel Geld aus. Im Jahr eins nach der Wiedervereinigung standen Bund, Ländern und Gemeinden Steuereinnahmen in Höhe von 338 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Jahr 2022 ist diese Summe auf 888 Milliarden Euro angewachsen. Dies ist ein Anstieg von 550 Milliarden Euro oder 163 Prozent.
Im jährlichen Durchschnitt sind die Einnahmen damit um 3,5 Prozent gewachsen. Bei einer durchschnittlichen Inflation von 3 Prozent konnten sich die Finanzminister und die Kämmerer über einen Kaufkraftgewinn von mehr als 15 Prozent für die vergangenen 31 Jahre freuen. Bei den Arbeitnehmern sieht diese Rechnung deutlich bescheidener aus. Viele Jahre mussten sie deutliche Kaufkraftverluste hinnehmen.
Im Jahr 2022 betrug das Jahresdurchschnittseinkommen in Deutschland 49.260 Euro. Noch in den 1960er Jahren musste man das 14-Fache des jährlichen Durchschnittseinkommens verdienen, um mit dem Höchstsatz von 42 Prozent Einkommenssteuer besteuert zu werden. Aktuell reicht bereits das 1,3-Fache aus. Jedes Jahr erhöht sich die Zahl der Arbeitnehmer, die mit dem Höchststeuersatz belegt werden, um 150.000. Gegenwärtig sind ca. 3,5 Millionen Arbeitnehmer hiervon betroffen. Die Inflation, das lässt sich feststellen, hat dem Staat von Jahr zu Jahr immer mehr Gelder in die Kassen gespült.
Der Mittelstand, also der Großteil der arbeitenden Bevölkerung, dies machen die Zahlen deutlich, kommt bei der Steuer- und Abgabenlast sehr schlecht weg. Da der Staat aber demnächst erhebliche Ausgaben für Klimaschutz, Ukrainekrieg und Versorgung von Flüchtlingen und Asylanten zu stemmen haben wird, muss allerdings die Frage gestellt werden, ob die Lasten derzeit gerecht verteilt sind.
Wenn man sich die Vermögensverteilung anschaut, wird man feststellen, dass sie große Verwerfungen aufweist. Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr geöffnet. Bereits seit einiger Zeit haben selbst die Reichen das Problem erkannt und mahnen ihre eigene höhere Besteuerung an. Die Gruppe Patriotic Millionaires hält eine Vermögenssteuer, die bei Millionären mit zwei Prozent jährlich ansetzt und bei Milliardären auf fünf Prozent jährlich steigt, für durchaus vertretbar und wünschenswert, um der einseitigen Vermögensverteilung entgegenzuwirken.
Dabei sind die Staatseinnahmen inmitten der Krisen erstaunlich hoch. Das sollten wir als ein deutliches Signal verstehen, dass den einkommenssteuerzahlenden Bürgern vom Fiskus zuviel abverlangt wird und das die Belastungen nicht gerade gerecht verteilt sind. So greift der Staat bei den in der progressiven Besteuerung des Steuertarif angesiedelten Personen bei jeder Lohnerhöhung überproportional zu.
Hat man den Höchststeuersatz erreicht, ist das nicht mehr der Fall. Man hat dann zusätzlich die Möglichkeit, seine Steuerlast durch kreative Gestaltung zu reduzieren. Normalverdienern ist ein solches Vorgehen mangels Masse verwehrt, weil sie ihr Einkommen für die Finanzierung ihrer Grundbedürfnisse benötigen. Daher gibt es im Steuerrecht erhebliche Reformmöglichkeiten, das System aufkommensneutral gerechter zu machen. Die Politik muss es nur wollen!
Der FDP ist ins Stammbuch zu schreiben, dass es nicht um die Erhöhung des Steueraufkommes geht, sondern lediglich um eine gerechtere Verteilung der Steuerlast. Die Vermögenden können in unserer krisenhaften Lage etwas mehr schultern und der hoch belastete Mittelstand könnte entsprechend entlastet werden. Das wäre einmal ein Vorgehen, das vermutlich auch von FDP-Wählern goutiert würde.
Was für uns allerdings absolute Priorität hat, ist die im Herbst anstehende Tarifrunde für die Bundesländer. Hier muss der in den beiden vergangenen Jahren eingetretene Reallohnverlust zumindest annähernd ausgeglichen werden. Eine Gehaltsanpassung ist allein auch deshalb notwendig, um die erbrachten Leistungen angemessen zu honorieren und die Bezahlung so zu steigern, um bei der Nachwuchsgewinnung wieder erfolgreicher zu sein.
Speziell im Strafvollzug sind wir auf gut geeigneten Nachwuchs angewiesen, um die gesetzlich zugewiesenen Aufgaben dauerhaft effizient und effektiv wahrnehmen zu können. Das Berufsfeld Strafvollzug steht hinsichtlich der Personalgewinnung nicht gerade im Zentrum des öffentlichen Interesses. Deshalb müssen Bezahlstrukturen und Arbeitsbedingungen diesen Nachteil ausgleichen und potentielle Bewerber für ein berufliches Engagement im Vollzug überzeugen können.
Damit wir für die Tarifrunde im Herbst 2023 gut gerüstet sind, sollte sich jeder bewußt machen, dass für Arbeitnehmer akzeptable bis gute Tarifergebnisse nicht dadurch erreicht werden, dass Gewerkschaften Verhandlungspositionen formulieren und Arbeitgeber, die ja auch am Wohlergehen ihrer Mitarbeiter interessiert sein sollten, sofort den Stift zücken, um einen Tarifabschluss in Höhe der aufgestellten Forderung zu unterschreiben.
Das Ergebnis hängt vielmehr davon ab, welchen Druck die Gewerkschaften mit ihren Mitgliedern durch Warnstreiks, Demonstration und letztlich unbefristete Arbeitsniederlegung zu erzeugen vermögen. Hier ist jedes einzelne Mitglied gefordert, für seine Interessen einzustehen und initiativ zu werden. Ein großer eidgenössischer Denker hat es einmal so formuliert: „Die Freiwilligkeit ist der Preis der Freiheit!" Im Herbst sollte es daher für uns alle lauten: „Jeder Einzelne ist seines Glückes Schmied!"
Nur so können wir unsere Verhandlungskommissionen in die Lage versetzen, gegenüber der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) aus einer Position der Stärke argumentieren und agieren zu können. Nur so werden wir erreichen, was uns objektiv betrachtet zusteht, nämlich einen Abschluss der zumindest Reallohnverluste verhindert.
Obwohl im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem sehr anständig verdient wird und gerade ein Tarif abgeschlossen worden ist, der mehr Lohn plus Inflationsprämien beinhaltet, mahnen die Interessenvertretungen höhere Rundfunkgebühren an, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) nicht zurückgebaut werden muss. Diese Position ist durchaus verständlich und auch nachvollziehbar, weil das festangestellte Personal über hervorragende berufliche Perspektiven verfügt.
Man muss gar nicht die außertariflichen Spitzengehälter der Intendanten, Direktoren und Hauptabteilungsleiter anführen, die regelmäßig mehr verdienen als der deutsche Bundeskanzler. Es reicht, sich normale Positionen anzusehen.
So reicht das Monatsgehalt einer Sekretärin oder eines einfachen Sachbearbeiters je nach Erfahrung und individueller Leistung von 2.812 Euro bis zu 6.164 Euro. Ein Cutter erhält zwischen 2.867 Euro und 7.583 Euro und ein Redakteur verdient zwischen 3.910 Euro und 11.122 Euro.
Für den öffentlichen Dienst sind das traumhafte Zahlen, denn beim ÖRR lassen sich Spitzeneinkommen erzielen, ohne daß die Position gewechselt werden müsste. Speziell die Strafvollzugsbediensteten können von solchen Möglichkeiten nur träumen. Und es ist schon verständlich, dass man diese Einkommensbedingungen erhalten wissen möchte.
Leider schmieren beim Fernsehen die Zuschauerquoten ab. Die Streamingdienste erfahren immer größeren Zuspruch. Da erhebt sich natürlich schon die Frage, ob wir uns – wie bei der ARD – wirklich neun regionale Sendeanstalten leisten sollten, oder ob nicht besser ist, das System an die veränderten Sehgewohnheiten der Menschen anzupassen.
Eines sollten die Betroffenen allerdings nicht übersehen: Den Zwangsgebührenzahlern gerade in einer Krise höhere Gebühren zuzumuten, obwohl gerade alles teurer wird und die Informationsangebote immer weniger genutzt werden, dass geht nicht und es käme zum absolut falschen Zeitpunkt.
Friedhelm Sanker