08. Juli 2015

Was bedeutet das NEIN der Griechen für Deutschland und die Gewerkschaftsarbeit?

Diese Frage ist für den Umgang mit der aktuellen Griechenland-Krise relativ bedeutungslos. Für die Einstellung der Menschen zu der ihnen von der Politik verordneten europäischen Integration kommt ihr jedoch eine zentrale Bedeutung zu. Während die Länder im Süden der EU vereinbarte Kriterien für die Stabilität der gemeinsamen Währung als veränderbare Rahmenrichtlinie ansehen, betrachten die Länder des Nordens diese Vereinbarungen als verbindlich.

Diese divergierenden Ansichten einer endgültigen Klärung zuzuführen, ist die Politik jetzt gefordert. Wird in der gegenwärtigen Situation einfach nur ein Formelkompromiss gesucht, der Griechenland lediglich alimentiert, ohne die ökonomischen, mentalen und strukturellen Probleme wirklich zu lösen, ist zu befürchten, dass die europäische Idee dauerhaft Schaden nehmen wird.

In vielen Ländern der EU haben sich politische Kräfte formiert, die von einem nationalstaatlichen Standpunkt aus, mit großer Skepsis auf die Integration Europas blicken. Bislang haben die maßgeblichen politischen Kräfte dieses Ziel als alternativlos und unabdingbar angesehen und versucht, jede abweichende Meinung politisch zu marginalisieren

Die Absicht, die Währung möge die europäische Integration befördern, ist gescheitert!

Von der Gemeinschaftswährung hat sich die Politik auch ein politisches Zusammenwachsen Europas versprochen. Das Gegenteil ist aber Realität geworden. In Krisenzeiten können die Mitglieder der Eurozone nicht mehr einfach ihre Währung abwerten, jetzt sind sie zu harten, belastenden Reformen gezwungen, wenn sie ihre Produktivität erhöhen müssen.

Viele Staaten im Süden tun sich schwer mit dieser Erkenntnis und setzen lieber auf die Solidarität der wirtschaftlich erfolgreicheren Mitglieder der Euro-Zone. Ein solcher Weg würde aber zwangsläufig in der Transferunion enden, die gerade deutschen Steuerzahlern nur schwer vermittelbar sein dürfte, weil ihnen damit die in Europa so ungeliebte Rolle des Zahlmeisters zugewiesen würde.

In den zurückliegenden fünf Monaten, seit die Syriza-geführte Regierung in Griechenland die Macht übernommen hat und ihre europäischen Verhandlungspartner ein ums andere Mal an der Nase herumführt, hat die Europäische Zentralbank das griechische Bankensystem durch ELA-Kredite am Leben erhalten. Wegen des mangelnden Vertrauens der eigenen Bevölkerung, ob die Regierung Tsipras den Verbleib in der Euro-Zone mit ihrer strikten Verweigerungshaltung wird garantieren können, haben die Menschen in Griechenland ihre Konten geräumt und das Geld ins Ausland gebracht oder in den heimischen Sparstrumpf gesteckt. Damit haben sie ihrem eigenen Staat jene „Solidarität“ aufgekündigt, die sie von der Europäischen Union erwarten.

Nicht alle Deutschen sind reich – nicht alle Griechen sind arm

Und diese Entwicklung trägt ganz skurrile Züge. Es gibt sie tatsächlich, die verarmten Griechen ohne Sozialleistungen und ohne Krankenversicherung, wie sie uns dieser Tage in den Medien vorgeführt werden. Richtig ist aber auch, dass der ständige Zufluss an „Notkrediten“, die sich mittlerweile auf 90 Mrd. Euro summieren, in wertbeständige Luxusartikel und Autos investiert worden sind. Diese Entwicklung hat die Syriza-Regierung tatenlos geschehen lassen, ohne Kapitelverkehrskontrollen zu erwägen, weil sie offenbar ihre Verhandlungsposition gestärkt wähnte.

Nach dem griechischen Referendum und dem gestrigen Treffen der Regierungschefs der Euro-Zone dürfte auch Alexis Tsipras klar geworden sein, dass der „Grexit“ als Problemlösung langsam mehrheitsfähig wird. Wie dem auch sei, es wird in jedem Fall teuer für den deutschen Steuerzahler, der für den größten Teil der Kosten aufzukommen hat.

Die Kosten für den deutschen Steuerzahler

Die horrenden Kosten von bis zu 90 Mrd. Euro, die durch den deutschen Steuerzahler aufzubringen sein werden, verändern natürlich auch die Einstellung vieler Deutscher zu diesem Europa. Schließlich hat die Politik immer versprochen, die Euro-Zone sei keine Transferunion. Die jetzt „im Feuer“ stehende Summe würde ausreichen, um den Strafvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen für die Dauer von mehr als 150 Jahren auskömmlich zu finanzieren.

Dieser Finanzierungsaufwand, auch wenn er durch eine mögliche Streckung der Schulden Griechenlands nicht sofort haushaltswirksam werden wird, grenzt aber dennoch die finanziellen Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland deutlich ein. Gerade dort, wo im Interesse der Zukunftsfähigkeit des Landes kräftig investiert werden müsste, wird künftig weiter der Rotstift herrschen. Die Kinderbetreuung, die Bildung, die marode Infrastruktur und nicht zuletzt eine menschenwürdige Altenpflege schreien nach umfangreichen Investitionen. Und auch die Zukunftsfähigkeit des seit mehr als zehn Jahren speziell in den Bundesländern vernachlässigten Öffentlichen Dienstes steht auf dem Spiel.

Die Interessen des Öffentlichen Dienstes dürfen nicht übersehen werden

Dies ist zugleich eine riesige Herausforderung für die gewerkschaftliche Interessenvertretung, weil sie in diesem Bereich auf die Kraft der Argumentation angewiesen ist und im Beamtenbereich keine Arbeitskampfmaßnahmen einsetzen kann. Mit der Griechenlandkrise ist diese Arbeit nicht einfacher geworden. Aber der Politik sollte bewusst sein, dass auch Loyalität ihr Ende dort findet, wo politische Ungerechtigkeit ihren Ausgangspunkt hat.

Wenn die absehbaren Lasten auch in Zukunft weiter ungerecht auf die gesellschaftlichen Gruppen verteilt bleiben, wenn Unternehmensvermögen über die Maßen geschützt werden sollen, wie jetzt mit der Erbschaftssteuer geplant, wenn sich Reiche der Besteuerung entziehen können, dann wird der Glaube in die Politik und die politischen Verantwortungsträger schmelzen wie der Schnee in der Sonne.

Der BSBD erwartet von der Politik, dass diese nicht einer unrealistischen europäischen Ideologie anhängt, sondern die Probleme Europas effizient löst und ein neues europäische Statut schafft, dass die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Staaten, mehr aber noch den erklärten Willen der betroffenen Völker beachtet. Daneben bedürfen die Probleme in unserem eigenen Land der Bewältigung. Sie dürfen keinesfalls ungelöst zurückgelassen werden, wenn die Zustimmung der Mehrheit der Deutschen zu einem einigen Europa bewahrt werden soll.