18. August 2015

Nutzen Bund und Bundesländer Beihilfeleistungen zur Reduzierung ihrer Kosten?

Betrachtet man die Entwicklung der zurückliegenden zwei Jahrzehnte, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Beihilfen als Instrument zur Begrenzung der Personalkosten genutzt werden. Dabei spart der Staat mit dem System der Beihilfen auch ohne Leistungskürzungen immense Summen. Zahlen muss er nämlich stets nur im Krankheitsfall, während für private Arbeitgeber monatliche Kosten anfallen.

Trotzdem haben wir die Erfahrung machen müssen, dass Leistungen gekürzt wurden, während die Beiträge für die private Restkostenversicherung nur die entgegengesetzte Richtung kannten: steil nach oben. Jetzt, so sind wir vom BSBD überzeugt, ist die Schmerzgrenze erreicht. Wir werden künftig ein besonderes Auge auf diesen Bereich werfen müssen, um auf absehbare Fehlentwicklungen gewerkschaftlich angemessen reagieren zu können.

Deutschland leistet sich eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Gesetzliche Krankenversicherung und das System der Beihilfen sollen die Kosten solidarisch tragen, um den Einzelnen im Krankheitsfall nicht in den finanziellen Ruin zu stürzen. Ein System, das mit viel Geld ausgestattet ist, weckt allerdings auch Begehrlichkeiten auf Seiten der Leistungserbringer. Während die hohen Kosten der Pharmaindustrie zumindest regelmäßig kritisiert werden, weil hier der Gewinn an erster Stelle zu stehen scheint, bleiben die Kosten der ärztlichen Selbstverwaltung meist unkommentiert. Es lohnt sich also, den Blick einmal hierhin zu wenden.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Selbstverwaltungsorgane der Ärzte, machen gerade durch Skandale auf sich aufmerksam. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet in dieser Woche gerade von Intrigen, Machtkämpfen und einer Selbstbedienungsmentalität der Funktionäre.

Wofür ist eine ärztliche Selbstverwaltung gut?

Der durch den Staat mit Hoheitsrechten ausgestattete Apparat der ärztlichen Selbstverwaltung beschäftigt zur Zeit 12.000 Mitarbeiter und damit fünfzig Prozent mehr, als im gesamten Bereich des NRW-Strafvollzuges tätig sind. Er hat vom Gesetzgeber den Auftrag erhalten, dass die 33 Mrd. Euro, die Kassen im vergangenen Jahr an die Ärzte gezahlt haben, so eingesetzt werden, dass überall in Deutschland ausreichend Ärzte vorhanden sind, um Patienten sachgerecht zu behandeln.

Im benachbarten europäischen Ausland ist diese Form der ärztlichen Selbstverwaltung gänzlich unbekannt. Dort wird der Bedarf durch die Politik festgelegt und durchgesetzt. Weil dies allerdings eine undankbare und vielfach kritikauslösende Aufgabe ist, hat die deutsche Politik sie auf die Selbstverwaltungsorgane der Ärzte ausgelagert.

Sich selbst organisierende Systeme neigen dazu, ihre Aufgaben an ihren spezifischen Interessen auszurichten und weniger am Gemeinwohl. Diese systemische Entartung ist umso größter je geringer die Kontrollmechanismen ausgeprägt sind. Und in Deutschland ist die Kontrolle der Kassenärztlichen Vereinigungen mehr als lax zu nennen.

Die Skandale der jüngsten Vergangenheit legen hiervon beredtes Zeugnis ab. Den Standesvertretern der Ärzte scheint es mehr darum zu gehen, das Angebot knapp zu halten und Konkurrenz unter ihren Mitgliedern zu verhindern, als flächendeckend ärztliche Leistungen sicherzustellen, bei denen die Patienten nicht monatelang auf einen Termin warten müssen.

Vielmehr Energie und Einsatz verwenden die Funktionäre offensichtlich auf die Durchsetzung ihrer teilweise sehr üppigen Gehälter. Über die Sitzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen werden zudem kaum detaillierte Protokolle geführt, womit wohl Kritik vorgebeugt werden soll. Aber auch die Kontrolle durch die Gesundheitsministerien der Länder wird auf diese Weise erschwert. Zwischenzeitlich sind in mehreren Bundesländern staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren anhängig, weil die Standesvertreter sich wohl allzu sorglos selbst begünstigt haben.

Muss der Staat in Zeiten knapper Kassen nicht überall das Geld zusammenhalten?

Wenn die öffentlichen Haushalte knirschen, dann wendet die Politik sofort den Blick auf die Personalkosten und setzt dort den Rotstift an. Dies gilt auch für die Beihilfen des öffentlichen Dienstes, wo in den zurückliegenden Jahren deutliche Einschränkungen bei den Leistungen vorgenommen worden sind. An die mit hohen Kosten verbundene ärztliche Selbstverwaltung traut sich die Politik offensichtlich aber nicht heran. Dabei wäre es an der Zeit, einmal intensiv darüber nachzudenken, warum Deutschland eine teure Bürokratie benötigt, die in anderen Ländern überflüssig zu sein scheint.

BSBD-Chef Peter Brock: „Bei den engen Verteilungsspielräumen, die wir gegenwärtig beobachten, muss die gewerkschaftliche Interessenvertretung auch darauf achten, dass es bei der Verteilung des gesamtgesellschaftlichen Erfolgs gerecht zugeht. Wenn sich privilegierte Berufsgruppen zuerst bedienen können, dann bleibt für unsere Mitglieder zu wenig vom ‚Kuchen‘ über. Bei der ärztlichen Selbstverwaltung ist einiges aus dem Ruder gelaufen. Sie gehört deshalb auf den Prüfstand. Hier findet derzeit Bereicherung auf Kosten der Beitragszahler und auf dem Rücken der Patienten statt.“