JVA Essen: Vollzugsbedienstete unter Korruptionsverdacht
Korruption ist ein schleichendes Gift, das Organisationen, Institutionen und auch ganze Staaten zu unterwandern vermag. Ursprüngliche Aufgaben und Zielsetzungen können durch sie völlig pervertiert werden. Besonders kritisch wird korruptes Verhalten, wenn es sich im Sicherheitsbereich eines Staates einnistet. Von daher ist immer besondere Aufmerksamkeit geboten.
Im Bereich des Strafvollzuges ist korruptes Verhalten bislang auf wenige Einzelfälle beschränkt geblieben. In der JVA Essen könnte sich jetzt allerdings ein weiterer Fall zugetragen haben. Aus Anlass einer Strafanzeige der Leiterin der JVA Essen sind zwischenzeitlich gegen sieben Beamte Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
Die Anstaltsleitung war Ende des Jahres 2021 darauf aufmerksam geworden, dass Mobilfunkgeräte, Betäubungsmittel und weitere verbotene Gegenstände durch Bedienstete in die Essener Einrichtung eingebracht worden sein könnten. Es bestand folglich das Risiko des illegalen Handels mit Gefangenen. Für eine Vollzugseinrichtung stellt ein solches Ereignis eine gravierende Sicherheitsstörung dar. Werden nämlich Bedienstete von Gefangenen abhängig oder von ihnen konditioniert, dann können sie womöglich auch zu pflichtwidrigem Verhalten gedrängt werden. In der Folge steigt das im Vollzug ohnehin latent vorhandene Sicherheitsrisiko für alle im Vollzug Tätigen nochmals beträchtlich an.
Sicherheitsarchitektur ist auf Korruption vorbereitet
Deshalb ist die Sicherheitsarchitektur von Vollzugseinrichtungen auch darauf ausgerichtet, solche Verhältnisse gar nicht erst entstehen zu lassen. Und für den Fall, dass sich trotzdem Abhängigkeitsverhältnisse anbahnen sollten, sind die Kolleginnen und Kollegen im Rahmen ihrer Ausbildung intensiv geschult und vorbereitet worden, sich in einem solchen Fall möglichst umgehend ihren Vorgesetzten zu offenbaren. Bislang hat sich diese Herangehensweise an die Korruptionsproblematik überaus bewährt.
Im konkreten Essener Fall hatten sich Ende 2021 Verdachtsmomente ergeben. Aufgrund der Anzeige der JVA Essen ist über ein Jahr verdeckt ermittelt worden. Die gewonnenen Erkenntnisse mündeten jetzt in Durchsuchungsbeschlüsse gegen sieben Beamte. Durchsucht wurden Wohnungen und Arbeitsplätze der Betroffenen.
Betroffene dürfen Einrichtung nicht mehr betreten
Gleichzeitig hat die Leiterin der JVA Essen den betroffenen Bediensteten die Führung der Dienstgeschäfte verboten und das Betreten der Diensträume der Anstalt untersagt. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dauern gegenwärtig an.
Jeder Vollzugler, der sich nicht an Regeln hält und der so seine Dienstpflichten verletzt, schadet dem Ansehen der Strafvollzuges. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass Vollzugsbedienstete eine schwierige soziale Aufgabe im Dienste der Gesellschaft wahrnehmen. Sie werden dabei arbeitstäglich mit Situationen und Konflikten konfrontiert, die sich Außenstehende vermutlich kaum vorstellen können.
Die Rahmenbedingungen des Dienstes sind zu beachten
Die untergebrachte Klientel hat sich zudem unter negativen Vorzeichen verändert, was für die Kolleginnen und Kollegen arbeitstäglich zunehmend belastende Herausforderungen bedeutet.
In vielen Fällen müssen Bedienstete in Bruchteilen von Sekunden Entscheidungen fällen, die weitreichende Folgen und Konsequenzen haben können. Selbstverständlich können dabei auch Fehler passieren. Zu denen muss man stehen und für Fehler muss man sich verantworten.
Auch für Vollzugler gilt die Unschuldsvermutung
Sind Dienstpflichten verletzt oder stehen strafrechtlich relevante Verfehlungen im Raum, so müssen die Sachverhalte sauber aufgeklärt werden. Jeder Vollzugler hat aber genauso wie jeder Bürger das Recht, dass sein Verhalten fair beurteilt wird.
Und darüber hinaus sollte ebenfalls eines klar sein: Auch im Fall der aktuell betroffenen Vollzugsbediensteten hat die Unschuldsvermutung zu gelten. Deshalb ist es auch geboten, hinsichtlich der jeweiligen Beteiligung und des Umfangs möglicher Verfehlungen nicht zu spekulieren. Schon gar nicht sind Vorverurteilungen erlaubt. Jetzt haben die Strafverfolgungsbehörden die zugrunde liegenden Sachverhalte möglichst unbeeinflusst aufzuklären, um anschließend entscheiden zu können, ob strafrechtlich relevantes Verhalten zu sanktionieren, ggfls. pflichtwidriges Verhalten disziplinarisch zu ahnden ist oder ob die Ermittlungsverfahren womöglich gar einzustellen sind.
Friedhelm Sanker