28. Oktober 2014

Gesetz zur Tarifeinheit: Bundesarbeitsministerin sagt dem Gewerkschaftspluralismus den Kampf an

Bei ihren großen Reformvorhaben beweist Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) dieser Tage gerade keine glückliche Hand. Von Arbeitgebern und DGB-Gewerkschaften entsprechend aufgefordert, will sie jetzt das Gesetz zur Tarifeinheit auf den Weg bringen. Eckpunkte dieser Gesetzesinitiative hat die Ministerin heute der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach der nun anstehenden Ressortabstimmung soll das Kabinett den Gesetzentwurf am 03. Dezember 2014 absegnen, damit er anschließend in den Bundestag eingebracht werden kann. Frühestens im Sommer 2015 soll damit das Prinzip „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ Gesetzeskraft erlangen.

Vor der Presse erklärte die Ministerin heute, dass ihr Gesetz die Tarifautonomie stärke. Es greife nicht in das Streikrecht ein, sondern schaffe Möglichkeiten zur Konfliktlösung in den Fällen, in denen Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften in Konkurrenz zu einander stünden. Für den Fall, dass es auch mit diesen Mechanismen nicht zu Lösungen komme, müssten die Mehrheitsverhältnisse notariell geklärt werden. Im Zweifel müssten die Gerichte über die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen entscheiden, stellte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles heute vor Medienvertretern in Berlin klar.

Das Gesetzesvorhaben steht verfassungsrechtlich auf tönernen Füssen

Das, was das Arbeitsministerium in Gesetzesform zu gießen versucht, ist verfassungsrechtlich überaus heikel. Namhafte Verfassungsrechtler halten keine gesetzliche Regelung für denkbar, ohne nicht in unzulässiger Weise in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Artikels 9 Abs. 3 des Grundgesetzes einzugreifen. Im Wissen um diese Problematik sind die vorgestellten Eckpunkte auch überaus vage ausgefallen. Das Gesetz, dies ist bereits absehbar, wird zu einem bürokratischen Monstrum mutieren. Eindeutige Regelungen finden sich kaum. Die Problemlösung wird einmal mehr auf die Gerichte verlagert.

Ein Ziel erreicht die Bundesarbeitsministerin, die selbst Mitglied der IG Metall ist, sehr wohl, nämlich dass große Gewerkschaften profitieren, kleinere hingegen deutliche Verschlechterungen hinnehmen müssen. Dies dürfte in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit eingreifen, so dass mit Sicherheit das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen werden wird.

Wegen dieser Problematik halten einige Kommentatoren das Vorhaben von Arbeitsministerin Andrea Nahles für einen Schildbürgerstreich, weil sie ein Problem lösen wolle, das gar nicht existent sei. Die Ministerin will einer „Zerfledderung“ der Tariflandschaft vorbeugen. Aber gibt es die überhaupt? Das Ausufern der Tariflandschaft ist bislang nicht zu erkennen. Lokführer und Fluglotsen, Piloten und Krankenhausärzte haben bereits seit langem eigene Interessenvertretungen. Die GDL ist bereits über 100 Jahre im Geschäft. Die von Arbeitgebern beschworene Welle von Berufsgewerkschaften ist nicht in Sicht und mittelfristig auch nicht zu erwarten. Von daher nimmt das Gesetzesvorhaben ein Problem in den Blick, für das es beim besten Willen keinen Regelungsbedarf gibt.

Kritik von allen Seiten

Angetreten, um die Quadratur des Kreises zu vollenden, ist der Arbeitsministerin wahrlich kein großer Wurf gelungen. Kritik hagelt es deshalb auch von allen Seiten. Der Vorsitzende von DBB Beamtenbund und Tarifunion, Klaus Dauderstädt, warf Nahles politische Feigheit vor. Sie verberge die Absicht, Streikrechte zu begrenzen, hinter nebulösen Formulierungen. Es sei absehbar, dass die Bundesverfassungsrichter dieses Gesetz für nichtig erklären würden. Nahles hingegen betonte, sie sei von der Verfassungskonformität ihres Entwurfes überzeugt.

Der Marburger Bund bezichtigte die Ministerin der Täuschung, weil sie die faktische Beschneidung des Streikrechts bewusst leugne, um den Rückhalt des Deutschen Gewerkschaftsbundes für das Gesetz nicht zu gefährden. Michael Konken, Vorsitzender des Journalisten-Verbandes, meinte: „Das riecht nach einer Nacht- und Nebel-Aktion“. Der Chef der Links-Partei, Bernd Riexinger, bezichtigte Nahles der Lüge, weil nach seiner Einschätzung das Streikrecht beschnitten werde.

Die Pilotengewerkschaft „Cockpit“ hat der Bundesarbeitsministerin vorgeworfen, sie erzeuge mit ihrem Gesetz zur Tarifeinheit Rechtsunsicherheit, um die Macht der kleinen Gewerkschaften zu brechen. Weil ein direkter Eingriff in das Streikrecht nicht möglich sei, so Ilja Schulz von „Cockpit“, verlagere die Ministerin das Problem auf die Arbeitsgerichte. So werde die Judikative als Handlanger zur Aushebelung von Gewerkschaftsrechten missbraucht.

Einzig von Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer kam Unterstützung für Andrea Nahles (SPD). Kramer begrüßte die Ankündigungen der Ministerin, weil das Risiko, jederzeit einem Arbeitskampf durch kleine Gewerkschaften ausgesetzt zu sein, langfristig die Tarifautonomie im Lande gefährden würde.

Für den BSBD stellte dessen Landesvorsitzender Peter Brock in Düsseldorf fest, dass der laute Ruf der Arbeitgeber nach Tarifeinheit inhaltlich nur schwer verständlich sei. Als Unternehmer wünschten sie sich größtmögliche Freiheit von staatlicher Reglementierung und hielten das qualitätsfördernde Prinzip der Konkurrenz hoch, Gewerkschaftskonkurrenz in den Betrieben sei hingegen ein Werk des Teufels. „So etwas nennt man gemeinhin Rosinenpickerei! Der BSBD wird im Verbund mit dem DBB alles unternehmen, um eine Mehrheit im Bundestag für dieses unsägliche Gesetzesvorhaben zu verhindern, weil es die Axt an das Grundrecht der Koalitionsfreiheit legt“, machte der Gewerkschafter die Haltung seiner Organisation klar.