Einkommensrunde 2020: Arbeitgeber wollen offenbar Sonderopfer durchsetzen
Am kommenden Wochenende steht in Potsdam die zweite Runde der Tarifverhandlungen für den Bund und die Kommunen an. Nachdem die erste Runde enttäuschend und ernüchternd verlaufen ist, sind die Erwartungen gedämpft. Speziell die Kommunen wollen die aktuelle Corona-Krise augenscheinlich nutzen, um Sonderopfer zu Lasten der Kolleginnen und Kollegen zu realisieren.
Wie anders ist es zu verstehen, dass sie den Vorschlag der Gewerkschaften, den Beschäftigten eine Einmalzahlung zu überweisen und die Verhandlungen auf die Zeit nach der Pandemie zu verschieben, rigoros ablehnten. Offenbar soll die öffentliche Meinung genutzt werden, um Sonderopfer durchzusetzen.
Die Zwischenzeit haben die Kolleginnen und Kollegen genutzt, um in mehr als siebzig Städten bundesweit gegen die Haltung der Arbeitgeber zu protestieren und eine angemessene Bezahlung zu fordern. Die großartige Beteiligung der Betroffenen an kreativen Mittagspausen vermittelte eindrücklich, dass sich die Beschäftigten nicht über den Tisch ziehen lassen wollen. Auch wenn die Arbeitgeberseite mit einiger Berechtigung auf ihre gegenwärtig klammen Kassen verweist. Dieses Argument ist jedoch verbrannt, wenn man gleichzeitig das Entgegenkommen der Gewerkschaften, die Verhandlungen ins kommende Jahr zu verschieben, strikt ablehnt. Damit wird auch augenfällig, dass die Arbeitgeberseite die Krise nutzen will, um die Personalkosten nachhaltig zu begrenzen und möglichst zurückzuführen.
Gegenüber der Presse hat der Verhandlungsführer der Kommunen, der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), verschiedentlich verlauten lassen, dass für die Forderungen der Gewerkschaften gar keine finanzielle Grundlage vorhanden sei. In der gegenwärtigen Krise, so Mädge, müssten die Gehälter eigentlich gekürzt werden. Dafür, dass die Arbeitgeber diese Position nicht in die Verhandlungen eingeführt hätten, habe man ein Zeichen der Zugeständnisbereitschaft seitens der Gewerkschaften erwartet. Dieses sei nicht nur ausgeblieben, sondern die Arbeitnehmerseite beharre weiter auf völlig überzogenen Forderungen. Dabei müssten auch die Gewerkschaften langsam einsehen, dass es derzeit nichts zu verteilen gäbe, umriss Ulrich Mädge die Beton-Taktik der Arbeitgeberseite.
Im Vorfeld der zweiten Verhandlungsrunde hat DBB-Chef Ulrich Silberbach von den Arbeitgebern eine konstruktive Verhandlungsführung eingefordert. Er erinnerte daran, dass Deutschland im internationalen Vergleich auch gerade deshalb so glimpflich durch die Krise komme, weil der öffentliche Dienst sich als überaus leistungsfähig erweise. Der Gewerkschafter verwies darauf, dass die Welt für die Bürgerinnen und Bürger subjektiv unübersichtlicher werde. Speziell der öffentliche Dienst gebe hier Orientierung und trage so dazu bei, dass Vertrauen in den Staat und die Demokratie wachsen könne. Deshalb gehe kein Weg daran vorbei, die Beschäftigten angemessen zu bezahlen. Immerhin bestehe weiter ein erheblicher Rückstand zu den Bezahlstrukturen der Privatwirtschaft. Der öffentliche Dienst, erläuterte Silberbach, dürfe nicht noch weiter ins Hintertreffen geraten.
Nach Ansicht des DBB-Chefs gehe es bei den Verhandlungen aber nicht nur um die heutigen Beschäftigten. Man müsse auch die künftig Beschäftigten in den Blick nehmen. Gegenwärtig weise der öffentliche Dienst einen Personalfehlbestand von 300.000 Stellen bundesweit auf. Diese Stellen könnten nur dann mit geeigneten Kräften besetzt werden, wenn Rahmenbedingungen und Bezahlstrukturen attraktiv seien. Von daher sei es seitens der Arbeitgeber kurzsichtig und geradezu fatal, ein solches Signal an potenzielle Nachwuchs- und Fachkräfte zu senden. Es sei vielmehr an der Zeit, gegenwärtigen und künftigen Beschäftigten ein Zeichen der Wertschätzung zu vermitteln, meinte Ulrich Silberbach.
Die BSBD-Tarifexpertin Birgit Westhoff zeigte sich beeindruckt von den zahlreichen kreativen Protestaktionen der Kolleginnen und Kollegen des Bundes und der Kommunen. Die verschiedenen Aktionen, die unter Beachtung der Hygienevorschriften gestartet wurden, werden nach Ansicht der Gewerkschafterin auch die Arbeitgeberseite beeindrucken. „Das ist auch nötig, damit endlich mit konstruktiven Verhandlungen begonnen werden kann“, meinte Birgit Westhoff.
„Wir als Vollzugler sind gut beraten, unsere Kolleginnen und Kollegen in der Tarifauseinandersetzung solidarisch zu unterstützen. Damit verbessern wir auch unsere Position in den künftigen Verhandlungen. Denn wenn es den Arbeitgebern jetzt gelänge, Sonderopfer zu Lasten der Beschäftigten durchzusetzen, wäre dies eine schwere Hypothek für unsere Verhandlungen im Jahre 2022“, analysierte Birgit Westhoff den derzeitigen Stand der Verhandlungen.
Die Tarifvertreterin des BSBD wagte allerdings auch einen optimistischen Blick auf die Verhandlungen. So gebe es für den Tarifstreit eine Schlichtungsvereinbarung. Von den zwei Schlichtern sei in dieser Verhandlungsrunde der von den Gewerkschaften benannte stimmberechtigt. Das lasse auf ein gutes Ergebnis hoffen.
Am Wochenende, prognostizierte Westhoff, werde sich erweisen, ob die Arbeitgeber zu konstruktiven Verhandlungen noch willens und in der Lage seien. Es bleibe zudem abzuwarten, ob die Arbeitgeber ein Angebot unterbreiteten oder ob die Gewerkschaften in Warnstreik und Protest gezwungen würden. Im letzteren Fall, so Westhoff, wären auch wir gefordert, unsere im Tarifstreit befindlichen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen von DBB-organisierten Protestaktionen möglichst zahlreich zu unterstützen.
Friedhelm Sanker