Die Strafvollzugsbediensteten trauern um Abteilungsdirektor a.D. Nothelm Steuernagel
Dass ihm ein langes und reiches Leben auf dieser Erde beschieden sein würde, hatte Nothelm Steuernagel selbst angezweifelt. Sein Herz hatte ihm bereits seit Jahrzehnten gesundheitliche Probleme bereitet. Hiervon ließ er sich jedoch nicht beeindrucken. Er nahm seine beruflichen Aufgaben mit großem Engagement und großer Kompetenz wahr und er hatte große Freude, seine Kinder und Enkel aufwachsen zu sehen und ihre Entwicklung begleiten und beeinflussen zu dürfen.
Nothelm Steuernagel wurde am 19.02.1932 in Niederschlesien geboren. Im Alter von 13 Jahren musste er seine Heimat kriegsbedingt verlassen, die Familie fand in Württemberg Zuflucht. Dort suchte der Verstorbene Kontakt zu amerikanischen Soldaten. Er lehrte sie die deutsche Sprache und erhielt dafür Lebensmittel und Zigaretten, was erheblich zum Unterhalt der Familie beitrug. In dieser Zeit wuchs auch seine Liebe zu Amerika. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass er sein Jurastudium zum Teil in Indiana absolvierte.
Nach erfolgreichem Studienabschluss trat Nothelm Steuernagel in den Dienst des Strafvollzuges des Landes Nordrhein-Westfalen. Nachdem er in England Gelegenheit hatte, den offenen Strafvollzug kennenzulernen, war er sofort überzeugt, dass diese Vollzugsform besondere Chancen eröffne, um bei Delinquenten Verhaltensänderungen hin zu einer regelkonformen Lebensführung zu bewirken. Im Jahre 1968 wurde ihm die Leitung der Jugendstrafanstalt Staumühle in Hövelhof übertragen. In dieser Aufgabe ging der Verstorbene auf, sie war der Kristallisationspunkt seines Schaffens. Den offenen Jugendvollzug beeinflusste er nachhaltig durch eine konsequent behandlungsorientierte Vollzugsgestaltung, die zu dieser Zeit noch nicht obligatorisch war.
Sein erfolgreiches Wirken als Anstaltsleiter trug ihm die Berufung an das Justizvollzugsamt Westfalen-Lippe in Hamm ein. Hier stieg er bis zum Abteilungsdirektor auf und war in den letzten Jahren vor dem Eintritt in den Ruhestand mit der Vertretung des Präsidenten betraut. In diesen neuen Funktionen eröffneten sich ihm Möglichkeiten, über den begrenzten Bereich einer Vollzugseinrichtung hinaus dem Strafvollzug Impulse zu verleihen und neue Gestaltungselemente in die vollzugliche Praxis einzuführen.
Mit Nothelm Steuernagel, der die gewerkschaftliche Arbeit des BSBD durch seine Mitgliedschaft, seine berufliche Kompetenz und seine Ideen bereichert hat, verliert der Strafvollzug einen ausgewiesenen Experten eines erzieherisch gestalteten Jugendvollzuges, der es verstand, die Gestaltungselemente dieser Vollzugsform auch für den Bereich des Erwachsenenvollzuges nutzbar zu machen.
Bedächtig abwägend im Habitus, präzise in der Analyse war Nothelm Steuernagel allen Problemen gewachsen, die sich ihm beruflich wie privat stellten. Sein berufliches Wirken als Verfechter eines auf Verhaltensänderung angelegten Behandlungsvollzuges, der den Menschen in den Mittelpunkt der vollzuglichen Arbeit stellt, beeinflusst den Strafvollzug bis auf den heutigen Tag. Seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten war der Verstorbene ein empathischer, verständnisvoller Vorgesetzter.
Nothelm Steuernagel war bereits seit vielen Jahren krank. Nach einem Sturz verließ ihn in den letzten Wochen mehr und mehr die Kraft. Sein angegriffenes Herz hörte nach einem langen, erfüllten Leben am 14. Juli 2018 in seinem Haus in Paderborn auf zu schlagen.
Die Strafvollzugsbediensteten trauern mit den Angehörigen des Verstorbenen um eine großartige Persönlichkeit, die das Leben vieler Menschen mit ihrem sozialen Engagement im Strafvollzug bereichert hat. Wir werden Nothelm Steuernagels Andenken bewahren und uns seiner stets in Dankbarkeit erinnern.
Düsseldorf, im Juli 2018
Der Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD)
Landesverband Nordrhein-Westfalen
Peter Brock
Landesvorsitzender