Mehr Netto vom Brutto: Bundesregierung verabschiedet Inflationsausgleichsgesetz
In der Vergangenheit haben die Bundesregierungen die Auswirkungen der „kalten Progression" vielfach genutzt, um zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren. Bei einer relativ niedrigen Inflation glaubte man, entsprechend verfahren zu können. Seit 2012 hat jede Bundesregierung alle zwei Jahre einen Steuerprogressionsbericht vorzulegen, um in diesem Bereich für Transparenz zu sorgen.
Angesichts der horrenden Inflation hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) ein Inflationsausgleichsgesetz vorgelegt, das zwischenzeitlich vom Bundestag beschlossen und vom Bundesrat gebilligt worden ist. Er reagiert damit auch auf die langjährigen Forderungen von DBB und BSBD, die in der kalten Progression immer schon ein unzulässiges Instrument der Staatsfinanzierung gesehen haben.
Das Inflationsausgleichsgesetz soll die Bürgerinnen und Bürger vor den Auswirkungen der kalten Progression schützen. Ohne dieses Gesetz würden die Steuerzahler werden Bürgerinnen und Bürger 2022 und 2023 mit mehr als 41 Milliarden Euro belastet. Der Steuerprogressionsbericht hat diese Feststellungen getroffen und die Basis für das nun beschlossene Gesetz gelegt. Das Inflationsausgleichsgesetz dient nach dem Willen der Bundesregierung dazu, die Steuerzahler vor zusätzlichen Belastungen zu schützen.
Die Auswirkungen der kalten Progression auf die Steuerzahler war lange Zeit ein Ärgernis. Deshalb ist die Bundesregierung im Jahre 2012 vom Deutschen Bundestag beauftragt worden, alle zwei Jahre jeweils zusammen mit dem Existenzminimumbericht einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs vorzulegen.
Die Bundesregierung hat im Herbst den Fünften Steuerprogressionsbericht zur Einschätzung der kalten Progression bei der Einkommensteuer in den Jahren 2022 und 2023 vorgelegt. Der Bericht war Beratungsgrundlage für das jetzt verabschiedete Gesetz.
Der Einkommenssteuertarif ist progressiv gestaltet. Dies bewirkt faktisch automatisch, dass Lohnerhöhungen zu einem Anstieg der durchschnittlichen Steuerbelastung führen. Für die Bürgerinnen und Bürger erhöht sich die Steuerbelastung auch dann, wenn die Lohnanpassung lediglich die Inflation ausgleicht. Real steht dann kein Zuwachs an Kaufkraft zur Verfügung. Der Steuertarif ignoriert diesen Umstand aber geflissentlich.
Auch Steuerzahlerinnen und -zahler, die keine Einkommenserhöhung erhalten, leiden unter der kalten Progression. Bei der Besteuerung des nominal unveränderten Einkommens wird nämlich nicht berücksichtigt, dass die Kaufkraft inflationsbedingt gesunken ist. Die Steuerbelastung bleibt in diesem Fall gleich hoch, obwohl der Gegenwert der Einkommen abgenommen hat.
Im Jahr 2022 werden die Auswirkungen der kalten Progression vor dem Hintergrund einer erwarteten Inflationsrate von 7,2 Prozent auf brutto rund 23,4 Milliarden Euro geschätzt. Wegen bereits beschlossener steuerlicher Entlastungen reduziert sich dieses Volumen in 2022 um rund 3 Milliarden Euro auf rund 20,4 Milliarden Euro.
Für 2023 werden die finanziellen Folgen der kalten Progression angesichts einer erwarteten Inflationsrate von 6,3 Prozent auf rund 21,5 Milliarden Euro geschätzt. Bereits beschlossene steuerliche Entlastungen reduzieren dieses Volumen in 2023 rechnerisch um rund 500 Millionen Euro auf rund 21 Milliarden Euro. Die Inflationsrate, die diesen Berechnungen zugrunde liegt, umfasst die Preisentwicklung aller Konsumausgaben der privaten Haushalte.
Die einzige Möglichkeit, die Wirkung der kalten Progression gesetzestechnisch auszugleichen, besteht in der Anpassung der Eckwerte des Einkommensteuertarifs. Zum einen wird das Existenzminimum (künftig 10.632 Euro) steuerfrei gestellt und zum anderen wird der Steuertarif im Umfang der geschätzten Inflationsrate gestreckt. Damit soll verhindert werden, dass sich der Staat auf Kosten des Bürgers unzulässig bereichert.
Das durch Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz wird damit jedem Steuerpflichtigen im kommenden Jahr eine spürbare Steuerentlastung bescheren. Das Gesetz fügt sich nahtlos in die Reihe der Entlastungspakete ein, die seitens der Bundesregierung bereits im Laufe des Jahres 2022 auf den Weg gebracht wurden.
Friedhelm Sanker