Bundesgerichtshof bestätigt: Abschiebehaft in Vollzugseinrichtungen unzulässig!
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat – ebenso wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) - die Unterbringung von Abschiebehäftlingen in normalen Vollzugseinrichtungen für unzulässig erklärt. In dem am Freitag veröffentlichten Beschluss zu einem Fall in Nordrhein-Westfalen betonen die Karlsruher Richter, eine gesonderte Unterbringung von Ausländern auf einem Gefängnisgelände entspreche nicht den europarechtlichen Vorgaben, die eine spezielle Unterbringung verlangten (Beschluss vom 25. Juli 2014 - AZ: V ZB 137/14 -).
Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der sog. Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) sei festgelegt, dass Haft zur Sicherung einer Ab- oder Zurückschiebung von Ausländern nur in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen werden dürfe. Dies gelte auch für den Fall, dass in einem Mitgliedstaat solche speziellen Hafteinrichtungen nicht vorhanden seien. Insoweit galt lediglich eine Übergangsregelung (Art. 20 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie) nach der die Abschiebehaft bis zum 24. Dezember 2010 ausnahmsweise in einer Vollzugseinrichtung erfolgen konnte.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in einem anderen Verfahren entschieden, dass die Ausnahme auch in einem föderalen Staat wie Deutschland grundsätzlich zu beachten sei. Erst wenn in keinem Bundesland eine gesonderte Einrichtung für die Vollziehung von Abschiebehaft vorhandenen sei, könne eine Unterbringung in einer Vollzugseinrichtung erfolgen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hatte die Auffassung vertreten, getrennte Gebäudekomplexe innerhalb einer gewöhnlichen Haftanstalt, in denen nur von der Ab- oder Zurückschiebung Betroffene, nicht aber auch Strafgefangene untergebracht seien, stellten spezielle Hafteinrichtungen im Sinne der Richtlinie dar. Dieser Einschätzung sind die Karlsruher Richter nicht gefolgt.
Die Länder, die über keine spezielle Einrichtung für Abschiebehaft verfügen, müssten ihre Praxis ändern. Ab- und Zurückschiebungshaft darf bis dahin von den Gerichten nur angeordnet werden, wenn diese positiv festgestellt haben, dass eine richtlinienkonforme Unterbringung der Betroffenen sichergestellt ist.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) kündigte in Düsseldorf an, dass man die BGH-Entscheidung "selbstverständlich respektieren" und dafür sorgen werde, dass die in der JVA Büren verbliebenen Abschiebehäftlinge "kurzfristig in eine europarechtskonforme Abschiebehafteinrichtung“ in Berlin verlegt würden. In der JVA Büren verrichten derzeit 130 Kolleginnen und Kollegen ihren Dienst. Die vorhandenen rund 500 Haftplätze waren bis Freitag mit etwa 150 Strafgefangenen und noch rd. 20 Abschiebehäftlingen belegt.
In einem weiteren Verfahren hat der Bundesgerichtshof zudem entschieden, dass die Anordnung von Abschiebehaft – entgegen der bisherigen Praxis – in bestimmten Fallkonstellationen unzulässig ist. Die in Deutschland gesetzlich geregelten Haftgründe sind sehr unpräzise. Der Beschluss betrifft Flüchtlinge, die schon in einem anderen EU-Staat registriert sind und in Deutschland aufgegriffen wurden. Nach dem Dublin-III-Abkommen müssen sie in das Erstaufnahmeland zurückgeführt werden. Bis zur Abschiebung in dieses EU-Land wurde von den deutschen Gerichten vielfach die Abschiebehaft angeordnet. Ein solches Vorgehen ist nach dem Spruch der Karlsruher Richter so nicht mehr zulässig. Die bloße Behauptung oder Unterstellung, jemand könne fliehen wollen, um sich seiner Abschiebung zu entziehen, reicht nach Ansicht des BGH jedenfalls nicht mehr aus.
Diese Entscheidung hat bereits zur Freilassung der betroffenen Flüchtlinge geführt. Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, die Gründe für die Anordnung von Abschiebehaft zu präzisieren und neu zu kodifizieren. Aber selbst eine solche Initiative wird das Problem wohl nicht grundlegend lösen. Flüchtlinge, die bereits in einem EU-Land registriert sind, kommen vielfach nach Deutschland, weil sie hier besser untergebracht und versorgt werden.
Die JVA Büren ist ursprünglich als Abschiebehaftanstalt mit einer Kapazität von über 500 Haftplätzen eingerichtet worden. Nach dem drastischen Rückgang der Asylbewerber zu Beginn der 2000er Jahre ging auch die Zahl der Abschiebehäftlinge zurück, so dass die freien Kapazitäten letztlich für die Unterbringung von Strafgefangenen mit kurzen Freiheitsstrafen genutzt wurden.
Dieses Nebeneinander der unterschiedlichen Haftarten ist nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe so nicht mehr möglich. Der BSBD hat deshalb bereits dafür plädiert, die Einrichtung in Büren wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zuzuführen. Nach dem in diesem Jahr zu beobachtenden sprunghaften Anstieg der Zahl der Asylbewerber ist zu erwarten, dass auch der Bedarf an Plätzen für die Vollziehung von Abschiebehaft wieder deutlich ansteigen wird.
Die in Büren vorhandene gute Infrastruktur sollte deshalb genutzt werden, um die Einrichtung zu einer zentralen Abschiebehafteinrichtung für die westdeutschen Länder auszubauen, die über keine entsprechenden speziellen Hafteinrichtungen verfügen. Vertragliche Vereinbarungen über die Kostenverteilung dürften keine unüberbrückbaren Schwierigkeiten aufwerfen.
Nach Einschätzung des BSBD wäre es kontraproduktiv, Büren als Abschiebehafteinrichtung aufzugeben. Schließlich steht hier jenes qualifizierte Personal zur Verfügung, das sich mit der Betreuung und Versorgung dieser Klientel auskennt und das andernorts zunächst geschult werden müsste. In diesem Fall müssten die derzeit in Büren untergebrachten Strafgefangenen in andere Vollzugseinrichtungen verlegt werden. Angesichts freier Kapazitäten im Strafhaftbereich, wäre ein solches Vorgehen allerdings unproblematisch. Die vorgeschlagene Änderung der Zuständigkeit der Bürener Einrichtung wäre für das Land Nordrhein-Westfalen überaus kostengünstig und würde auch im Hinblick auf die Interessen der Kolleginnen und Kollegen eine akzeptable Problemlösung darstellen.