Vollzugsbedienstete beim Impfen vorziehen!
Noch hat sich der Vollzug nicht zu einem Infektionshotspot entwickelt, insoweit haben wir bislang Glück gehabt. Dies muss angesichts der um sich greifenden Virus-Mutationen allerdings nicht so bleiben. Weil in den Vollzugseinrichtungen des Landes Menschen in räumlicher Enge miteinander umgehen müssen, besteht hier ein sehr hohes Infektionsrisiko, dass sich zudem von Tag zu Tag durch die deutlich infektiöseren Virus-Mutanten weiter erhöht.
Jetzt ist schnelles Handeln der Landesregierung gefordert, um die Funktionsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Gefängnisse zu garantieren.
Leider schätzt die Landesregierung das Gefährdungspotenzial, das Gefängnisse in der Pandemie darstellen, nach unserer Auffassung nicht realistisch ein. Sonst wäre der Vollzug bei der kürzlich vorgenommenen Anpassung der Priorisierungen nicht außen vor geblieben. Andere Landesregierungen reagieren da verantwortungsbewusster. Sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Berlin werden Vollzugsbedienstete bereits geimpft.
Es ist erstaunlich, dass gerade diese beiden SPD-geführten Bundesländer sich den ungeschönten Blick auf die Realitäten bewahrt haben. Speziell der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt, der mitunter zu sehr eigenwilligen Handlungen fähig ist, überrascht in dieser Hinsicht. Offenbar hat er das dem Vollzug innewohnende Risiko erkannt und ist deshalb bemüht, die Funktionsfähigkeit der Berliner Gefängnisse unter allen Umständen sicherzustellen. Auf Twitter hatte er angekündigt, dass alle Bediensteten des Justizvollzuges noch in dieser Woche ein Impfangebot erhalten sollen.
Bislang wurde der CDU stets die Fähigkeit zugesprochen, Regierungen seriös, ideologiefern und pragmatisch führen zu können. Das desaströse Versagen bei der Beschaffung von Schutzausrüstungen, Schnelltests und Impfstoffen hat jedoch gewaltig am einstigen Nimbus genagt. Hinzu tritt noch der Skandal um zwei Unions-Politiker, die sich bei der Maskenbeschaffung persönlich bereichert haben sollen. Diese bereits eingetretenen Fehlleistungen, das lässt sich prognostizieren, werden die Ergebnisse bei den am kommenden Sonntag anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ganz erheblich beeinflussen.
Und auch der NRW-Landesregierung sollte bewusst sein, dass verlorengegangenes Vertrauen bis zur Bundestagswahl im kommenden September nur zurückgewonnen werden kann, wenn jetzt keine gravierenden Fehler mehr gemacht werden. Dazu gehört unbedingt, die Funktionsfähigkeit des Vollzuges keinesfalls zu gefährden, damit den Menschen neben den Belastungen der Pandemie nicht auch noch ein Sicherheitsrisiko durch einen evtl. Vollstreckungsstopp aufgebürdet werden muss.
BSBD-Chef Ulrich Biermann forderte die Landesregierung deshalb auf, das sofortige Impfen der Vollzugsbediensteten zu veranlassen und die benötigten Vakzine zur Verfügung zu stellen. Dem BSBD ist zwischenzeitlich die Information zugegangen, dass kurzfristig knapp 2.000 Impfdosen für den Vollzug zur Verfügung gestellt werden sollen. Wir verkennen nicht, dass damit ein nicht unbeträchtlicher Teil des Personals immunisiert werden kann. Leider reicht diese Impfstoffmenge noch nicht aus, um die bestehenden Infektionsgefahren vollständig beherrschen zu können.
„Im Vergleich mit anderen Industrienationen nehmen wir bei der Immunisierung unserer Bevölkerung einen beschämenden Platz ein. Dabei ist das Impfen das zentrale Element zur Überwindung der Pandemie schlechthin. Bis in den Herbst 2020 hinein haben wir geglaubt, unser Pandemiemanagement sei effizient, bis wir erkennen mussten, dass wir nicht nur bei der Impfstoffbeschaffung abgehängt sind, sondern auch die Organisation komplexer Abläufe nicht auf die Reihe bekommen. Die föderalen Strukturen haben sich zudem als hinderlich für die Bewältigung der Pandemie erwiesen“, meinte der Gewerkschafter. Zugleich rief er die Landesregierung dazu auf, die Schlagzahl beim Impfen generell zu erhöhen und die Hausarztpraxen sofort und nicht erst in einem Monat in die Impfkampagne einzubeziehen. Ulrich Biermann wörtlich: „Wir Vollzugsbedienstete erwarten jetzt, dass alle Kolleginnen und Kollegen beim Impfen vorgezogen werden, damit wir die Funktionsfähigkeit des Justizvollzuges uneingeschränkt sicherstellen können.“
Friedhelm Sanker