Vermögensabschöpfung: Rechtliche Möglichkeit, gefährliche Kriminalitätsformen zurückzudrängen!
Von kriminell erworbenen Gütern mehr als auskömmlich, teilweise luxuriös leben zu können, ohne den Zugriff des Staates fürchten zu müssen, ist eine Form der Lebensführung, die eine Gesellschaft, die auf den legalen Erwerb von Gütern und Dienstleistungen ausgerichtet ist, nur sehr schwer aushält. Gesellt sich dann noch Sozialbetrug hinzu, ist die Schmerzgrenze einer Gemeinschaft schnell überschritten.
Deshalb und zur Umsetzung europarechtlicher Vorgaben hat die Bundesregierung 2017 das Recht der Vermögensabschöpfung grundlegend reformiert, um dem Rechtsgrundsatz „Verbrechen dürfen sich nicht lohnen!“ wieder verstärkt Geltung zu verschaffen.
Das neue Recht der Vermögensabschöpfung gilt für den gesamten Bereich des Strafrechts, für das Ordnungswidrigkeitenrecht und für Jugendstrafverfahren. Ziel war es, die Vermögensabschöpfung zu vereinfachen, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten zu erleichtern und die nachträgliche Abschöpfung möglich zu machen.
Der herausragende Aspekt der Gesetzesreform ist jedoch die Einführung des Instituts der selbständigen Einziehung gem. § 76 a Abs. 4 StGB. Damit erhält die Vermögensabschöpfung eine völlig neue Stoßrichtung. Die Regelung ermöglicht die selbständige Einziehung von Vermögensgegenständen auch ohne Nachweis der Verfolgbarkeit einer rechtswidrigen Tat, sofern das Gericht von ihrer illegalen Herkunft überzeugt ist. Der neu eingefügte § 437 StPO legt hierzu fest, dass das Gericht die erforderliche Überzeugung von der illegalen Herkunft eines Gegenstandes „insbesondere auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen stützen“ kann.
Lange gab es politische Bedenken und Widerstände gegen eine solche Regelung. Die pauschale Unterstellung eines illegalen Vermögenserwerbs wurde als Verstoß gegen die Unschuldsvermutung von Artikel 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention gesehen und damit als unzulässig gewertet.
Nachdem sich in den zurückliegenden Jahrzehnten Clan-, Rocker- und Bandenkriminalität ausgebreitet haben und speziell die organisierte Kriminalität Deutschland nutzt, um illegale Einnahmen zu „waschen“, reichen die bisherigen Ermittlungsinstrumente nicht mehr aus, um wirksam gegen diese Kriminalitätsformen vorzugehen.
Um den rechtschaffenen Teil der Bevölkerung, der den Staat schließlich im Wesentlichen finanziert, vor Straftätern und Straftaten zu schützen, sind neue Ermittlungswerkzeuge erforderlich, um die notwendige Wirksamkeit entfalten zu können. Der selbständigen Vermögensabschöpfung ohne den nach altem Recht erforderlichen Nachweis der genauen rechtswidrigen Straftat kommt daher eine herausragende Bedeutung zu.
Dem Bereich der organisierten Kriminalität in all ihren Erscheinungsformen kommt immer größere Bedeutung zu. Clans und Banden haben sich in vielen Städten solche Machtpositionen erkämpft, die sie zu einer latenten Gefahr für die staatliche Ordnung machen.
Seit 2017 fährt die NRW-Landesregierung eine strikte Null-Toleranz-Linie, um in diesem Kriminalitätsfeld deutlich zu machen, dass der Staat nicht länger wehrlos ist, sondern entschlossen handelt. Mit dem neuen Instrument können Staatsanwälte und Gerichte Vermögen leichter einziehen und zwar auch dann, wenn die Umstände es sehr wahrscheinlich machen, dass Vermögen aus einer kriminellen Tat stammt, obwohl unklar bleibt, aus welcher.
Ein Strafverfolger erklärt das Prinzip anhand eines Beispiels: "Wenn man bei einem Drogenhändler zu Hause eine Million Euro findet und dieser keine Belege für einen rechtmäßigen Erwerb vorlegen kann, dann ist der Staat berechtigt, dieses Geld zu beschlagnahmen." Überhaupt sei die Vermögensabschöpfung bei der Bekämpfung von Clankriminalität "ein sehr probates und gern genutztes Mittel".
In Berlin ist von der Möglichkeit der Vermögensabschöpfung vermehrt Gebrauch gemacht worden. Bislang sind allerdings erst wenige Fälle rechtskräftig abgeschlossen, so dass zunächst abgewartet werden muss, wie oft die Beschlagnahme von Vermögen vor Gericht Bestand hat.
Nach Expertenmeinung sind die bisherigen Erfahrungen allerdings durchweg positiv. Endlich stehe den Strafverfolgern ein Instrument zur Verfügung, von dem eine hohe Wirksamkeit erwartet werden kann. Auf jeden Fall ist eine erhebliche Verbesserung gegenüber der früheren Rechtslage festzustellen, als nachgewiesen werden musste, aus welcher konkreten Straftat das eingezogene Vermögen stammt.
Deutschland ist ein Tummelplatz der organisierten Kriminalität, weil hier Bargeld in unbegrenzter Höhe angelegt werden kann. Der jährliche Schaden wird auf ca. 750 Millionen Euro geschätzt. Im Jahr 2018 wurde in über 500 Fällen gegen fast 6.500 Tatverdächtige ermittelt. Hierzu zählten Verfahren gegen Angehörige der italienischen Mafia, der deutschen Rockerbanden, der russischen Organisationen und der arabischen Clans. Die Zahlen spiegeln das Hellfeld, das Straftaten umfasst, die wirklich entdeckt und zur Anzeige gebracht wurden. Das Dunkelfeld dürfte weit größer sein.
Mit der neuen Form der Vermögensabschöpfung haben Ermittler eine schärfere Waffe zur Hand. Sie können mit richterlichem Beschluss Vermögen von Verdächtigen beschlagnahmen, ohne dass der Staat die illegale Herkunft der Vermögen nachweisen muss. Die Legalität des Vermögens muss der jeweilige Verdächtige nunmehr gegebenenfalls selbst belegen. Das neue Recht greift auf, was in Italien und Großbritannien seit Jahren übliche Praxis ist.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm die Zentrale Organisationsstelle für Vermögensabschöpfung eingerichtet, um aus allen Himmelsrichtungen verschobenes und mutmaßlich ergaunertes Geld abzuschöpfen. Die Zentralstelle hat die Aufgabe, die Rechtsordnung im Falle von Straftaten wiederherzustellen. Dazu gehört auch der Opferschutz. Die Vermögensabschöpfung dient im Wesentlichen dazu, aus den abgeschöpften Werten Wiedergutmachung an die Opfer zu leisten.
Speziell in diesem Kriminalitätsbereich darf der Staat nicht kleckern. Hier muss auch beim Personaleinsatz geklotzt werden. Die unkontrollierte weitere Ausbreitung dieses Kriminalitätsfeldes würde mittelfristig zu einer Destabilisierung unseres Gemeinwesens führen. Die Auswirkungen hätten dann jene Bevölkerungsteile zu tragen, die sich im Wesentlichen an unseren gesetzlichen Regeln orientieren und diese auch beachten.
Mit den neuen rechtlichen Möglichkeiten will der Staat die Kriminellen empfindlich treffen. Wenn sich manche Leute große Villen und tiefergelegte Karossen leisten können und im Extremfall gleichzeitig Sozialhilfe beziehen, ergibt sich für die Ermittler nicht selten ein Anfangsverdacht hin zu Betrugs-, Steuer- oder Drogendelikten. Die Zentralstelle will nicht nur Täter überführen, sondern zukünftige Straftaten präventiv verhindern.
Die Zentralstelle unterstützt Staatsanwaltschaften, Gerichte und die Polizei in Nordrhein-Westfalen bei der Vermögensabschöpfung, berät Kolleginnen und Kollegen im ganzen Bundesgebiet, und arbeitet zudem im operativen Bereich. Im Grenzüberschreitenden Verkehr werden die Bargeldfunde künftig vermutlich weiter zunehmen. Hier ist die Zentralstelle dann mit ihrer Expertise gefordert.
Die Einziehung von Vermögen beschränkt sich auf Delikte, die mit finanziellen Aktivitäten verbunden sind. Die Anknüpfungspunkte sind Betäubungsmitteldelikte und Betrug. Wirtschaftskriminalität und Korruption bieten weitere Betätigungsfelder.
Die Menschen investieren in Zeiten von Negativzinsen verstärkt in „Betongold“. Dies trifft auch auf Kriminelle zu. Der Immobilienbereich ist für Geldwäschedelikte überaus anfällig. Auf diese Weise lassen sich ohne großen Aufwand schnell illegale Einnahmen verschleiern.
Besonders empfindlich reagieren Straftäter, wenn ihre Luxuskarossen eingezogen werden. Sie büßen dann immerhin ein Statussymbol ein. Die Betroffenen wehren sich in diesen Fällen mit allen rechtlichen Möglichkeiten.
Um den Strafverfolgern die Möglichkeit des Vermögenseinzugs zu erschweren, sind Verdächtige oftmals nicht Eigentümer, vielfach werden Gesellschaften oder Strohmänner bemüht. Aber auch dieses Problem lässt sich juristisch lösen. Wenn beispielsweise ein Luxusauto auf die Großmutter zugelassen ist, berichten Ermittler, dann wird dem nachgegangen. Der Verkäufer des Wagens wird gehört, der Weg der Geldübergabe wird überprüft und auch Großmutter wird angehört. Meist lösen sich die Probleme dabei in Luft auf.
Straftäter aus hierarchischen Strukturen, wie wir sie aus der Clan-, Banden- und Rockerkriminalität kennen, mit den Mitteln des Vollzuges herauszubrechen, ist unglaublich schwer. Der Vollzug vermag mit dem Abbau schulischer Defizite und der Vermittlung beruflicher Kompetenzen wesentliche Beiträge zur Persönlichkeitsentwicklung von Straftätern leisten.
Diese Möglichkeiten werden aber sicher nicht reichen, das Verhalten eines Angehörigen eines kriminell erfolgreichen Familienclans grundlegend zu verändern, weil einfach die erzielbaren Einkommen so stark differieren.
Damit vollzugliche Maßnahmen erfolgreich sein können, gibt es zur Vermögensabschöpfung keine Alternative. Erst wenn erhebliche Teile des illegal Erworbenen vom Staat beschlagnahmt werden, eröffnet sich die Möglichkeit, Angehörige solch krimineller Strukturen für den legalen Broterwerb zu erwärmen.
Hier sind noch viele dicke Bretter zu bohren. Der Staat sollte den jetzt beschritten Weg deshalb konsequent fortsetzen, denn nur wenn Kriminellen ihr illegal Erworbenes entzogen wird, werden wir in diesen Kriminalitätsfeldern erfolgreich sein. Und die Vermögensabschöpfung, die für die Strafverfolgung einen Quantensprung darstellt, bildet gleichzeitig die Grundlage dafür, dass die Bemühungen des Vollzuges bei diesem Täterkreis Wirkung entfalten können.
Friedhelm Sanker