Landesregierung sucht nach Ausgleichsmöglichkeiten
Das Besoldungsgespräch, das die Gewerkschaften in der vergangenen Woche mit der Landesregierung geführt haben, brachte zunächst die erwartbare Ernüchterung bezüglich der Einmalzahlung einer Corona-Zulage. Der BSBD NRW hatte bereits Mitte Dezember vor der jetzt eingetretenen Entwicklung gewarnt, die Versorgungsempfänger leer ausgehen zu lassen.
Zwar kann man den Standpunkt vertreten, eine Corona-Zulage könne nur an Personen ausgezahlt werden, die im aktiven Dienst stehen. Allerdings hätte die Zulage dann an spezifische Belastungsfaktoren gebunden werden müssen. Dies ist aus gutem Grund jedoch nicht geschehen, weil es sich nur nominell um eine Corona-Zulage handelt. Hierdurch konnte man die bestehende Möglichkeit nutzen, die Zulage bis Ende März 2022 steuerfrei zu gewähren.
Faktisch stellt die Einmalzahlung, das dürfte allen Beteiligten der Tarifrunde klar gewesen sein, einen finanziellen Ausgleich für den Verzicht auf eine prozentuale Anhebung der Einkommen während der ersten elf Monate im Jahr 2022 dar. Folglich durften auch die Versorgungsempfänger davon ausgehen, in den Genuss dieser Zulage zu gelangen.
Anlässlich des Besoldungsgespräches ist Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und den beteiligten Kabinettsmitglieder offenbar klar geworden, dass sie mit ihrer Entscheidung, Versorgungsempfängern keinen angemessenen Ausgleich zuzubilligen, eine Gerechtigkeitslücke geöffnet haben. Speziell für die schwarz-gelbe Regierung könnte dies zu einem politischen Bumerang werden, wenn man an die im Mai stattfindende Landtagswahl denkt.
Eine Regierung zu bestätigen und zu unterstützen, die den eigenen Interessen massiv zuwiderhandelt, ist eben nicht jedermanns Sache. Dabei wird die aktuelle Landesregierung vermutlich auf jede Stimme angewiesen sein, will sie nicht Oppositionsführer Thomas Kutschaty von der SPD das Feld fast kampflos überlassen. Die Meinungsumfragen sind derzeit so, dass Schwarz-Gelb sich durchaus Sorgen über den Ausgang des Urnengangs machen muss, zumal die gut 210.000 Versorgungsempfänger ein nicht unerhebliches Wählerpotential darstellen.
Dabei sind Versorgungsempfänger von der Inflationsrate genauso betroffen, wie alle übrigen Bürgerinnen und Bürger, die nicht über ausreichendes Vermögen verfügen können. Im Jahr 2021 betrug die Inflation jahresdurchschnittlich 3,1 Prozent und erreichte zum Jahresende den Spitzenwert von 5,3 Prozent. Für das laufende Jahr erwarten Wirtschaftsexperten eine Kostensteigerung von 3,5 Prozent. Einer Inflation von 6,6 Prozent steht im Falle der Versorgungsempfänger lediglich eine zum 1. Dezember 2022 wirksam werdende Einkommenserhöhung von 2,8 Prozent gegenüber, so dass sich für die Betroffenen ein realer Kaufkraftverlust von 3,8 Prozent ergibt.
Die Erkenntnis, etwas tun zu müssen, beginnt sich offenbar auch bei den Regierenden durchzusetzen, denn es wird nach Kompensationsmöglichkeiten gefahndet. Gestern erst teilte Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) der Öffentlichkeit mit, dass für alle Beamtinnen und Beamten sowie Versorgungsempfänger die im Beihilfenrecht geltende Kostendämpfungspauschale, einstmals als Sparmaßnahme eingeführt, vollständig gestrichen wird. Einzelheiten der Regelung und der Zeitpunkt ihres Inkrafttretens sollen mit der Gesetzesvorlage zur Besoldungsanpassung geklärt werden. Zusätzlich, so die Ankündigung des Ministers, würden die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Alimentation umgesetzt. Weitere Details des Gesetzes bleiben abzuwarten.
Die Landesregierung erfüllt damit eine langjährige Forderung von DBB und BSBD NRW, die sie im Besoldungsgespräch vom 5. Januar 2022 in Aussicht gestellt hatte. Sie sucht offenbar nach Ausgleichsmöglichkeiten. Das ist positiv. Es bleibt zu hoffen, dass die Landesregierung im Rahmen der Gespräche zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienst weitere Kompensationsmöglichkeiten findet.
Friedhelm Sanker