In Euskirchen hat sich abermals bestätigt, dass eine Vollzugseinrichtung sehr schnell zu einem Infektionshotspot mutieren kann. Nachdem in den zurückliegenden Wochen durchgeführte Test immer wieder einmal positiv ausfielen, hat das Gesundheitsamt Euskirchen eingegriffen und eine Reihenuntersuchung angeordnet. Weil die Tests bei 21 Inhaftierten und drei Kollegen positiv ausfielen, zog das Gesundheitsamt die Notbremse und ordnete Quarantäne für die gesamte Einrichtung an. Von dieser Maßnahme sind rd. 380 Inhaftierte und 140 Kolleginnen und Kollegen betroffen.
Bereits im Dezember 2020 war die Vollzugseinrichtung schon einmal vollständig isoliert. Damals hatten sich sechs Gefangene infiziert, die Situation war nicht mehr überschaubar und die weitere Entwicklung nicht zu kalkulieren, so dass man sich zur vollständigen Unterbindung sozialer Kontakte entschloss.
Der neuerliche Infektionsausbruch hatte eine noch größere Dimension, so dass konsequenterweise abermals an der Abschottung der Einrichtung kein Weg vorbeiging. Die Euskirchener JVA ist eine Einrichtung des offenen Vollzuges. Naturgemäß gibt es hier viele Kontakte innerhalb und außerhalb der Anstalt, die geeignet sind, die Infektionen weiter zu verbreiten.
Die Entscheidung des Gesundheitsamtes war deshalb folgerichtig, die ganze Vollzugseinrichtung unter Quarantäne zu stellen. Während die Inhaftierten in einem separaten Gebäude unterbegracht wurden, konnten sich die positiv getesteten Kollegen und deren Kontaktpersonen in ihren Wohnungen in Quarantäne begeben.
Für die JVA Euskirchen war und ist die Situation überaus belastend, weil alle Aktivitäten zurückgefahren und die Kontakte deutlich reduziert werden mussten. Seither setzt die Einrichtung auf die konsequente Anwendung der Hygieneregelungen, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bringen. Glücklicherweise sind bislang schwerwiegende Krankheitsverläufe ausgeblieben. Die meisten der positiv getesteten Personen sind derzeit symptomfrei.
Der Euskirchener Fall macht einmal mehr deutlich, dass sich die Infektionsrisiken in den Vollzugseinrichtungen des Landes als überproportional hoch erweisen. Trotzdem hat die Politik dies bislang nicht zum Anlass genommen, die Impfpriorisierung für den betroffenen Personenkreis anzupassen. Dabei waren die Warnungen des BSBD begründet, wie die Infektionsausbrüche in mehreren Einrichtungen belegen.
Begründet wurde diese Zurückhaltung stets mit der zu geringen Menge verfügbarer Vakzine. Trotzdem leistet es sich Deutschland nach Angaben der Bundesärztekammer, fünf Millionnen Impfdosen zu horten. Dabei ist beim Impfen Schnelligkeit gefordert, um der Entwicklung von weiteren Mutanten vorzubeugen. Die offenbar für Zweitimpfungen zurückgehaltenen Reserven sollten jetzt schnellsten aufgelöst werden.
Auf der Grundlage von Entscheidungen der Verantwortlichen am Sitz zahlreicher Gefängnisse, ist das Impfen vieler Kolleginnen und Kollegen zwischenzeitlich angelaufen. Etliche Leitungen haben bei den örtlichen Gesundheitsämtern auf die Impfung ihrer Beschäftigten gedrungen und entsprechend interveniert. So sollte die ihnen obliegende Fürsorgepflicht eigentlich überall aussehen!
So erfreulich dieses Ergebnis auch ist, so unverständlich bleibt der Verzicht auf eine allgmeine Anhebung der Priorisierungsstufe für die Strafvollzugsbediensteten. Der BSBD sieht hierin eine eklatante Verkennung der bestehenden Risiken und der Ausbreitungsgeschwindigkeit in Einrichtungen, in denen viele Menschen in räumlicher Enge leben und arbeiten müssen.
Im Mai 2021 wird die Lieferung von Vakzinen sprunghaft ansteigen, so dass eine Priorisierung überflüssig wird. Zudem werden vermehrt Arztpraxen in das Impfgeschehen eingreifen. Dass Impfen von täglich bis zu 1,5 Millionen Menschen dürfte dann keine Utopie mehr sein. Es bleibt zu hoffen, dass wir noch schnell genug sind, damit die Vakzine wirksam bleiben und nicht alle Mühe vergebens war, weil das Virus abermals mutiert ist.
Wenn die Pandemie überwunden sein wird, haben die Verantwortlichen aus der Politik einiges aufzuarbeiten, damit wir uns in Zukunft besser aufstellen. Die Priorisierungen sollten bereits im Vorfeld festgelegt sein. Noch besser wäre es jedoch, wenn wir aus den jetzigen Entwicklungen die Lehre ziehen würden: Kein Impfstoff ist zu teuer, wenn er einen Lockdown vermeiden hilft! Die wirtschaftlichen Folgen des Stillstands der Gesellschaft sind meist noch kostspieliger.
Friedhelm Sanker