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Tarifrunde 2021: Arbeitgeberforderungen belasten die Verhandlungen noch bevor sie begonnen haben

Die Verhandlungen sind für Anfang Oktober 2021 terminiert. Die Gewerkschaften wollen ihren Forderungskatalog am 26. August 2021 öffentlich präsentieren. Jetzt belastet die Arbeitgeberseite die Verhandlungen mit der Forderung, den in § 12 TV-L geregelten Arbeitsvorgang neu zu verhandeln.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sieht Handlungsbedarf, weil das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich dazu tendiert, Arbeitsvorgänge umfassender zu definieren. Dies hatte zur Folge, dass viele Verfahren zur richtigen Eingruppierung von den klagenden Beschäftigten gewonnen wurden. Diese Entwicklung ist der Arbeitgeberseite ein Dorn im Auge. Sie will mit der Neuregelung im Grundsatz niedrigere Eingruppierungen und damit niedrigere Einkommen für die Kolleginnen und Kollegen durchsetzen.

Solche Tendenzen der Arbeitgeberseite, die Tarifverhandlungen bereits im Vorfeld mit Forderungen zu belasten, kennen wir aus vergangenen Tarifrunden. Solche Zumutungen waren nie geeignet, konstruktive Verhandlungen zu ermöglichen. Die Konsequenz war meist ein vergiftetes Verhandlungsklima. Und auf ein solches sollten sich die Gewerkschaften einstellen und vorbereiten.

In den letztjährigen Tarifverhandlungen für die Beschäftigten von Bund und Kommunen hatten die Arbeitgeber eine vergleichbare Forderung erhoben, waren allerdings an der kompromisslosen Haltung von DBB und Ver.di gescheitert. Jetzt soll diese Forderung erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Arbeitgeber sehen sich derzeit in der besseren Verhandlungsposition. Angesichts von Pandemie und Flutkatastrophe, so vermutlich die Einschätzung der TdL, würden Streiks im öffentlichen Dienst bei den Bürgerinnen und Bürgern auf wenig Verständnis stoßen. Diese Situation wollen die öffentlichen Arbeitgeber augenscheinlich nutzen, um bei den Eingruppierungen zu sparen. Und dabei geht es nicht etwa um Peanuts, sondern um Hunderte Euros, die in jedem Einzelfall gespart werden sollen.

Warum ist der Rechtsbegriff „Arbeitsvorgang“ von so großer Bedeutung?

In jedem Arbeitsvertrag ist eine Entgeltgruppe anzugeben, aus der sich das Entgelt ergibt. Die jeweilige Entgeltgruppe ist dabei nicht Verhandlungssache, sondern bestimmt sich nach dem Bewertungsergebnis aus der Entgeltordnung und dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).

Öffentliche Arbeitgeber sind verpflichtet, für jeden Arbeitsplatz Arbeitsvorgänge zu bilden und diese an den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung zu überprüfen. Damit kommt dem Rechtsinstitut „Arbeitsvorgang“ zentrale Bedeutung zu. Eingruppierungsbestimmend ist der zeitliche Umfang des Arbeitsvorgangs oder mehrerer gleichwertiger Arbeitsvorgänge, wenn er mindestens 50 Prozent der Arbeitszeit ausmacht.

Der Arbeitsvorgang umfasst alle Einzeltätigkeiten, die für das Erreichen des geforderten Arbeitsergebnisses notwendig sind. Selbst wenn die einzelnen Arbeitsschritte unterschiedliche Fachkenntnisse erfordern oder unterschiedlich schwierig und verantwortungsvoll sind, ist die Bewertung des gesamten Arbeitsvorgangs entscheidend für die Eingruppierung. Der Arbeitsvorgang dient somit als Zusammenfassung der Arbeitsschritte, die für das Erbringen der Tätigkeitsanforderung erforderlich sind.

Wie sieht die Rechtsprechung dieses Problem?

Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Entscheidungen bekräftigt, dass der Arbeitsvorgang für die Eingruppierung ausschlaggebend ist, und zwar unabhängig von der unterschiedlichen tariflichen Wertigkeit der erforderlichen Einzeltätigkeiten. Das Gericht hat sich von der Überzeugung leiten lassen, dass ein Arbeitsvorgang nur als Ganzes die Tätigkeitsmerkmale einer Entgeltgruppe erfüllen kann und nicht in seine Bestandteile zerlegt werden darf.

Für die Kolleginnen und Kollegen hat dies den positiven Effekt, dass diese Art der Bewertung, die DBB und BSBD für die einzig zulässige halten, häufig zu einer hohen Eingruppierung führt. Die Arbeitgeberseite will sich mit dieser Rechtsprechung nicht abfinden. Berlin und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder haben inzwischen Verfassungsbeschwerde gegen diese Urteile des Bundesarbeitsgerichts eingereicht.

Die Arbeitgeberseite will aber offenbar zweigleisig fahren. Um nicht allein auf eine Entscheidung aus Karlsruhe angewiesen zu sein, macht man diese Rechtsfrage zum Gegenstand der kommenden Tarifrunde.

Öffentliche Arbeitgeber wollen auf Kosten des Personals profitieren

Eigentlich könnten die Arbeitgeber das Problem selbst entschärfen. Schließlich können sie vorgeben, wer was mit welcher Verantwortung zu erledigen hat. Allerdings haben die Arbeitgeber in der Vergangenheit immer mehr Aufgaben auf immer weniger Personal verteilt und durch den Personalabbau kräftig gespart. Zwangsläufig hat dies die Arbeitsvorgänge unausweichlich komplexer werden lassen, was in etlichen Fällen zu Höhergruppierung geführt hat.

Durch die Neuregelung des Arbeitsvorgangs wollen sich die Arbeitgeber nochmals finanziell bedienen. Sie haben einmal beim Personalabbau gespart und wollen jetzt auch noch bei der Eingruppierung sparen. Ganz praktisch würde das bedeuten: Die öffentlichen Arbeitgeber wollen höherwertige Arbeitsergebnisse, die nach geltender Rechtsprechung der Entgeltgruppe 7, 8 oder 9a zugeordnet sind, nur noch nach Entgeltgruppe 6 bezahlen.

Forderung der Arbeitgeber belastet Verhandlungen schwer

Die Finanzierung von Corona-Pandemie, europäischem Aufbaufond und die Kosten der Flutkatastrophe stellen den Staat vor enorme Herausforderungen. Wer würde das nicht anerkennen? Augenscheinlich verfolgen die öffentlichen Arbeitgeber jetzt das Ziel, den öffentlichen Dienst aus diesem Anlass mit einem Sonderopfer zu belegen. In der strukturellen Verschlechterung der Eingruppierungen streben sie an, die Kosten der Einkommensrunde mehr als nur zu kompensieren.

Die Gewerkschaften hatten in der Vergangenheit wiederholt den Versuch unternommen, Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Dienstes zusammen mit der Arbeitgeberseite durch längst überfällige Strukturmaßnahmen zu steigern. Dies ist mit der TdL allerdings seit längerer Zeit nicht mehr möglich. Wo man sich gemeinsam Gedanken über die Qualitätssicherung machen sollte, verweigert die Arbeitgeberseite gegenwärtig das Gespräch.

BSBD-Chef Ulrich Biermann und die BSBD-Tarifexpertin Birgit Westhoff haben sich angesichts der destruktiven Haltung der Arbeitgeber ganz unmissverständlich positioniert. Sie halten deren Strategie, mit einem Ultimatum in die Tarifrunde zu geben, für kontraproduktiv. Damit sei massiver Streit vorprogrammiert. Besonders verstörend sei die wenig kompromissbereite Art der Arbeitgeberseite, die kommuniziert habe, dass es ohne Zugeständnisse beim Thema „Arbeitsvorgang“ keinen Abschluss geben werde.

Ulrich Biermann sieht die Gewerkschaften durch die Arbeitgeber herausgefordert. „Wir werden uns auf harte Verhandlungen in der Einkommensrunde einstellen müssen. Die derzeit sprunghaft steigende Inflation, die bis zum Jahresende eine Höhe von rd. 5 Prozent erreichen soll, gibt die Richtung der Verhandlungen vor. Daneben ist die Krankenpflegezulage, die gegenwärtig nur den verbeamteten Kräften gezahlt wird, zwingend auch für unsere Kolleginnen und Kollegen im Beschäftigtenverhältnis zu fordern. Und dann sind da noch die Zugeständnisse, die die Arbeitgeberseite fordert, die nach einer konsequenten und unmissverständlichen Antwort verlangen. Für unsere berechtigten Interessen werden wir, das zeichnet sich bereits ab, auf den Straßen und Plätzen der Republik kämpfen müssen, um der Arbeitgeberseite klarzumachen, dass wir so nicht mit uns umgehen lassen und wir in jeder Hinsicht kampfbereit sind.“

Der BSBD-Vorsitzende ließ erkennen, dass wir die aktuellen finanziellen Herausforderungen des Staates anerkennen, dies jedoch gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind, die durch Steuern finanziert werden müssen. „Sonderopfer zu Lasten des öffentlichen Dienstes“, machte Ulrich Biermann nachdrücklich klar, lehnen wir strikt ab. Sie wären ein Schritt in eine völlig falsche Richtung!“

Friedhelm Sanker

Symbolfoto: BSBD-Archiv