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Einkommensrunde Bund und Kommunen: Die Stunde der Wahrheit

Die anstehende Tarifrunde betrifft den Bereich der Bundesländer nicht unmittelbar, dürfte allerdings für die im Herbst 2023 anstehenden Tarifverhandlungen präjudizierende Wirkung entfalten.

Wir müssen deshalb ein großes Interesse daran haben, dass in den bis März 2023 terminierten Verhandlungsrunden für Bund und Kommunen ein Ergebnis erzielt wird, dass keine weiteren Reallohnverluste bewirkt, wie wir sie in den letzten beiden Jahren erlitten haben. Tarifergebnisse fallen nicht vom Himmel, sondern stellen einen Kompromiss zwischen den Interessen der öffentlichen Arbeitgeber und der Gewerkschaften dar. Wer den größten Druck auf die jeweilige Gegenseite auszuüben vermag, ist hier klar im Vorteil.

Bereits kurz nach der Bekanntgabe der Gewerkschaftsforderung von 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro, kritisierten die öffentlichen Arbeitgeber von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) die Höhe der Forderung als völlig unannehmbar. DBB-Chef Ulrich Silberbach prognostizierte deshalb, dass uns „hammerharte Verhandlungen" bevorstehen.

Hohe Gewerkschaftsforderung hat ihre Berechtigung

Dabei war doch klar, dass die durch die Inflation, die im Jahresdurchschnitt 2022 7,9 Prozent betrug, verursachten Preissteigerungen faktisch nach Einkommenserhöhungen schreien, die die steigenden Preise gerade für die unteren Einkommensgruppen ausgleichen und auch die Reallohnverluste der vorhergehenden Tarifrunde zumindest teilweise kompensieren.

Auf Arbeitgeberseite liegt die Verhandlungsführung in Händen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Karin Welge (SPD), Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen und Vertreterin der kommunalen Arbeitgeberverbände. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" äußerte sie mit Blick auf die 10,5-Prozent-Forderung der Gewerkschaften: „Das können wir so nicht leisten, und viele andere Kommunen auch nicht."

Kommunale Arbeitgeber verweisen auf enge Handlungsspielräume

Oberbürgermeisterin Karin Welge verweist darauf, dass viele Kommunen verschuldet seien. Zudem stünden sie vor einem dreifachen Verteilungskampf um die verfügbaren Steuereinnahmen. So müssten die Schulden der Vergangenheit, die Kosten des Kerngeschäftes der Gegenwart und Investitionen in die Zukunft gleichzeitig geschultert werden. Diese Herausforderungen stellten die meisten Kommunen vor schier unlösbare Herausforderungen.

Oberbürgermeisterin Karin Welge rechnete vor, dass die 10,5-Prozent-Forderung für Gelsenkirchen einen finanziellen Aufwand von rd. 16 Millionen Euro verursachen würde. Bei einem Haushaltsvolumen von 1,2 Milliarden Euro sei das scheinbar nicht viel. Zu bedenken sei jedoch, dass fast die Hälfte des Haushalts für Transferzahlungen aufgewendet werden müsse und diese Kosten würden künftig noch deutlich steigen. Die Altersarmut und die Pflegebedürftigkeit stiegen und auch die Ausgaben für Geflüchtete und die Armutsmigration aus Südeuropa nähmen erheblich zu.

Weil Gelsenkirchen wieder wachse, so die Oberbürgermeisterin, müssten Schulen und Kindergärten gebaut werden. Für die Bearbeitung der Anträge auf erhöhtes Wohngeld müsste Personal eingestellt werden und auch das 49-Euro-Ticket mache den Personennahverkehr für die Kommunen tendenziell teurer. Aus alldem ergäbe sich, dass für die Kommunen keine große Spielräume vorhanden seien. Dabei könne sie sehr wohl Verständnis für die Interessen der Beschäftigten aufbringen.

Inflationsbedingte Steuermehreinnahmen bleiben unerwähnt

Mit ihren Einlassungen gegenüber „Der Spiegel" hat Karin Welge den Ton für die Verhandlungen gesetzt. Was sie allerdings nicht gesagt hat, ist die Tatsache, dass Bund, Länder und Gemeinden nach der letzten Steuerschätzung vom Herbst 2022 in den kommenden Jahren mit Mehreinnahmen von 126,4 Milliarden Euro rechnen können. Der Aufwand für einen einkommenserhöhenden Inflationsausgleich dürfte sich für die öffentlichen Arbeitgeber damit in durchaus überschaubaren Grenzen bewegen. Richtig ist aber auch, dass unsere Forderung sich für die unteren Lohngruppen durchaus im 20-Prozent-Bereich bewegt, weil hier der geforderte Sockelbetrag von 500 Euro bis zu Bruttogehältern von rd. 4.800 Euro der eigentliche Maßstab ist.

Für die aktuelle Tarifrunde liegen die Positionen jetzt auf dem Tisch. Die Stunde der Wahrheit schlägt am kommenden Dienstag, wenn in Potsdam die Verhandlungen beginnen. Die Forderung der Gewerkschaften ist durchaus ambitioniert. Seit nunmehr fünfzig Jahren hat es solch eine hohe Forderung nicht mehr gegeben. Sie ist allerdings auch gerechtfertigt angesichts der rasant steigenden Preise für die Lebenshaltung und für die Energie. Und dann soll der öffentliche Dienst schließlich attraktiv werden und bleiben, damit der Mangel an geeigneten Arbeitskräften abgebaut werden kann.

BSBD-Chef ruft zur Unterstützung auf

In Düsseldorf machte BSBD-Chef Ulrich Biermann darauf aufmerksam, dass auch wir in den Bundesländern in dieser Tarifrunde gefordert sind: „Wir haben ein gesteigertes Interesse daran, dass sich die Kolleginnen und Kollegen im Bund und den Kommunen durchsetzen. Dem Tarifergebnis kommt für unsere im Herbst anstehenden Verhandlungen vorentscheidende Bedeutung zu. Deshalb rufe ich alle Kolleginnen und Kollegen, die schließlich von einem guten Abschluss profitieren wollen, auf, sich für die aktuelle Forderung starkzumachen. Die Arbeitnehmer, die im benachbarten Frankreich zu Hundertausenden gegen die beabsichtigte Lebensarbeitszeitverlängerung demonstrieren, sind ein gutes Beispiel dafür, wie man Druck auf Arbeitgeber und Regierung aufbauen kann, wenn es um die eigenen Interessen geht!"

Friedhelm Sanker

Symbolbild: Archiv BSBD NRW